Kreuzfeuer
konnte das Böse, das hier von den Wänden zurückgeworfen wurde, beinahe körperlich spüren. Im flackernden Licht der Fackeln ragten riesenhafte Militärstatuen wie Dämonen über ihm auf, als wollten sie sich jeden Moment durch den Wald der aufgestellten Regimentsfahnen auf ihn stürzen. Es war wirklich ein Tempel – ein Tempel, in dem die Gläubigen dem gewaltsamen Tod huldigten.
Sten hörte, wie Alex zischend den Atem ausstieß. Sein Freund zitterte. »So was Arschkaltes is’ mir noch nich’ untergekommen«, flüsterte er. Sten nickte und blickte Kurshayne an.
»In die Luft jagen«, befahl er.
Die Jann-Kadetten nahmen ihr Mahl schweigend ein. Die Offiziere auf dem großen Podium saßen ebenfalls zu Tisch.
General Khorea knabberte höflich an jedem Gericht und schob es dann zur Seite. Als ein Bediensteter sein Weinglas nachfüllen wollte, lehnte er dankend ab.
Khorea ließ den Blick über die Kadetten schweifen und verspürte einen ergreifenden Stolz. ›Schon bald‹, dachte er, ›streiten alle diese jungen Männer an meiner Seite für die Sache der Jann.‹ Viele würden sterben, das wusste er. Er fragte sich auch, ob einer dieser jungen Männer dort unten an den Tischen eines Tages ein General wie er sein würde.
In diesem Augenblick ertönte eine gewaltige, die tiefste Seele erschütternde Explosion. Einen kurzen Augenblick, einen der ganz seltenen in seinem Leben, verspürte Khorea so etwas wie Angst. Der Feind hatte an einem Ort zugeschlagen, den kein Jann jemals für möglich gehalten hatte. Die Zitadelle wurde angegriffen.
Vosberh und seine Leute eilten auf die Unterkünfte zu.
Wenige Minuten später starben die Jann-Wächter, die auf Vosberhs Ablenkungsexplosion hin aus ihren Baracken gestürmt kamen, unter dem flächendeckenden Gewehrfeuer von Vosberhs Männern.
Vosberh stieß einen Befehl aus, und sein Flammenwerfer-Team eilte weiter. Mit geübten Bewegungen schraubten sie die Behälter auf die Flammenwerfer, stellten die Regler ein und marschierten feuerspeiend drauflos.
Der erste Barackenkomplex explodierte in einem Feuersturm.
Kurshayne eilte zu einer Statue und hängte eine Hitzeladung an einen der gewaltigen Metallarme. Ringsum verteilten Sten, Alex und Ffillips’ Leute weitere Päckchen.
Sten schob seine letzte Hitzeladung an die richtige Stelle und rannte auf die große Tür zu. Er und Kurshayne waren die letzten, die den Raum verließen. Sten bellte einen Befehl, und Kurshayne schlug noch im Laufen auf den Detonationsknopf. Hinter ihnen ging eine Hitzeladung nach der anderen hoch.
Das Feuer war zunächst nur ein leichtes rotes Glühen, das sich allmählich immer weiter ausbreitete, bis es sich in einen einzigen, blendend weißen Lichtblitz verwandelte.
Jede Packung wirkte wie eine Miniaturnova. Die Hitze strahlte immer mehr nach außen, ein weißer Schein vermengte sich mit dem nächsten weißen Schein, bis die ganze Kapelle in grelles Weiß getaucht war.
Als erstes gingen die Wandbehänge und die Regimentsbanner in Flammen auf, zerflockten im plötzlichen Feuersturm. Die goldenen Statuen fingen an, Blasen zu werfen, und schmolzen dann in sich zusammen. Ein Fluss aus geschmolzenem Gold ergoss sich über den Boden, als die Statuen sich wie Schneemänner immer rascher verflüssigten.
Durch das Loch in der Decke und die offene Tür heulte der Wind wie ein Zwillingstornado, um das Semivakuum zu füllen, das durch den Brand entstand.
Schließlich explodierte der ganze Tempel mit infernalischem Getöse.
Dieser zweite Knall erschütterte die Zitadelle bis in die Grundfesten. Der Speisesaal wurde wie von einem Erdbeben erfasst, das die Jann zu Boden schleuderte.
Der riesige Raum war ein einziges Durcheinander.
Sinnlose Befehle, die ohnehin niemand beachtete, wurden durcheinandergebrüllt. Auf dem Podium kam Khorea unter dem Tisch hervorgekrochen und griff nach seiner Waffe.
Die Hysterie ringsherum entsetzte ihn. Mit aufgerissenen Augen kam ein Jann-Offizier auf ihn zugerannt und fuchtelte mit seiner Pistole herum. Khorea hielt den Mann fest, doch er riss sich wieder los und rannte weiter.
Khorea schnappte sich ein Mikrophon. Kurz darauf dröhnte seine Stimme aus den Lautsprechern des Speisesaals und rief die Männer zur Ordnung. Diese Stimme, auf Hunderten von Schlachtfeldern erprobt, erzielte fast sofort ein befriedigendes Resultat. Die Männer erstarrten mitten in der Bewegung, kamen einigermaßen zu sich und starrten den Redner an.
Doch bevor Khorea auch nur
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