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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Oberdorfer
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Gschnitzer war, den Mannlechner mit dieser Gestalt gemeint haben musste, und der andere war offenbar Bachler. Aber schauten die beiden auf dem Bild denen, die ich kannte, auch wirklich ähnlich? Waren das Doktor Gschnitzer und Bachler oder waren es zwei andere? Man hatte das Gefühl, dass auf der Grundlage des Gemäldes diese Frage nie würde beantwortet werden können. Lag es daran, dass die Darstellung zu unspezifisch und allgemein war, oder daran, dass schon in der Wirklichkeit nie genau feststehen konnte, wer Gschnitzer und Bachler eigentlich waren? Denn, so dachte ich, wenn andere Männer, die so aussahen wie die beiden, sich entschließen würden, für sich in Anspruch zu nehmen, Gschnitzer und Bachler zu sein, dann könnte wahrscheinlich nicht mehr geklärt werden, wer nun die echten und wer die unechten Gschnitzer beziehungsweise Bachler wären. Wenn aber die echten Gschnitzer und Bachler von den unechten nicht zu unterscheiden waren, mit welchem Recht behaupteten dann die echten Gschnitzer und Bachler, wenn es diese überhaupt gab,dass sie in der Tat die echten und nicht die unechten seien? Ja, und was hieß es unter diesen Umständen überhaupt, der »echte Gschnitzer« oder der »echte Bachler« zu sein? Dass man echte Dokumente besaß, in denen man als Gschnitzer oder Bachler ausgewiesen wurde? Das konnte es wohl nicht sein, denn wenn einer diese Dokumente stahl und so in seinen Besitz brachte und sich etwa durch einen sehr dicken Bauch, oder weil ihm ein Aug' fehlte, sowohl von Bachler als auch von Gschnitzer offensichtlich unterschied, dann war klar, dass er nicht als Gschnitzer oder Bachler auftreten konnte. War das klar? Und würde das für alle Zeit so sein oder würden irgendwann vielleicht wirklich aus Mangel an verlässlichen Unterscheidungsmerkmalen alle Persönlichkeitsrechte mit den Dokumenten den Inhaber wechseln können? Ähnlich wie von einer speziell beschichteten Oberfläche Wasser in einzelnen Tropfen abperlt, ohne sie benetzen zu können, so verfing auf den hier dargestellten Körpern kein Blick, der auf Identifikation aus war. Man erfasste nichts, so lange man auch hinschaute. Also begann ich mich auf den Hintergrund zu konzentrieren. Ja, sobald ich den Hintergrund erblickte, schien mir, dass die Gestalten im Vordergrund vielleicht gar nicht so wichtig und nur Staffage waren, von der sich der Hintergrund prächtig abheben konnte. Aber auch der Hintergrund bestand eigentlich aus nichts, das man beschreiben könnte. Es handelte sich dabei lediglich um Draperien. Es war, als hätten sich die beiden Männer vor einem prächtigen, purpurfarbenen Stoff portraitieren lassen, der nicht klassisch fiel, sondern hin und her geschlungen und gewunden war und barocke Falten warf, denen der Pinsel des Malers mitgroßer Lust nachschmeckte, sich schadlos haltend für die Gegenstandslosigkeit seines eigentlichen Gegenstands. Herrlich, wie das Purpur, von einer unsichtbaren Lichtquelle getroffen, einmal so und einmal so aufglänzte und sich nach allen Himmelsrichtungen ausbreitete, von der Schwerkraft, wie es schien, nicht er- fasst. Die Draperien zogen den Blick in ihr verführerisches Hin und Her und Auf und Ab. Aber was sollte das Ganze? Ich wandte mich ab. Das nächste Bild schien keinen doppelten Boden zu haben und zeigte einfach nur: den Pfarrer. Da stand er an seinem Altar und hielt die Arme ausgebreitet, das ganze Kirchenvolk umfassen wollend. Sein Mund war ebenmäßig und streng verschlossen. Man spürte das Vergnügen, mit dem der Künstler seiner Kunst bei der Abbildung der prächtigen Goldstickereien auf dem Ornat freien Lauf ließ. Die Darstellung ging dabei in ihrer Wahrheitsliebe so weit ins Detail, dass sie den Gegenstand, wenn man ganz genau hinsah, teilweise geradezu hinter sich zu lassen schien und in eine ganz andere, abstrakte Welt vordrang, aber wenn man einen halben Schritt zurücktrat, renkte sich das scheinbar Zusammenhanglose wieder zu einem organischen und zum Anfassen stofflichen Ganzen zusammen. Der Pfarrer schien, von der Pracht seines Gewandes zu schließen, eine Messe an einem hohen Feiertag zu lesen. In seinem Gesicht fand sich keinerlei gottsucherische Ausschweifung oder mystische Ekstase, sondern eine große und strenge Gegenwärtigkeit. Man hatte das Gefühl, dass er inständig um etwas bemüht war. War es die Konzentration des Schauspielers oder Artisten bei einer Bühnendarbietung? Nein, es war etwas anderes. Es schien, dass er sich um die be-mühte, die man nicht

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