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Kreuzigers Tod

Kreuzigers Tod

Titel: Kreuzigers Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Oberdorfer
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irgendwelche Angaben machen könnte? Nein, nein, sagte sie nur. Sie hatte so große Angst vor mir, dass sie meine Frage gar nicht richtig verstanden hatte. Dann fragte ich, ob sie etwas dagegen hätte, wenn ich das Foto an mich nähme? Sie schüttelte den Kopf, und so bin ich an das Foto gekommen.«
    »Und warum wollten Sie dieses Foto haben? Welche Beziehungen bestehen zwischen Ihnen und Anna?«
    »Gar keine.«
    »Gar keine?«
    »Wenn eine Beziehung zwischen uns bestanden hätte, dann hätte ich sie wohl um ein Foto bitten können oder vielleicht hätte sie mir sogar von sich aus eines geschenkt.«
    »Aber warum wollten Sie ein Foto von ihr haben?«
    »Weil sie mir gefiel.«»Da kommen wir der Sache schon näher.«
    »Sie gefiel mir, ja, aber das können Sie mir nicht zum Vorwurf machen.«
    »Lassen Sie mich das entscheiden, was ich Ihnen zum Vorwurf mache.«
    »Ich war schon viele Jahre hier, als ich sie zum ersten Mal sah. Ich traf sie, wie seither so oft, im Laden vom Vergeiner, ich sah sie und, ich weiß nicht, ob Sie das kennen, ich sah sie und, wie soll ich das näher erklären, ich kann es nicht erklären, ich fand, dass sie die schönste Frau der Welt sei, und es zog mich ... zog mich zu ihr hin.«
    »Soso, und weiter?«
    »Nichts weiter. Sie war verheiratet, und nichts wies darauf hin, dass sie meine Gefühle erwiderte. Sie wusste auch nichts von meinen Gefühlen, weil ich ihr nie etwas davon gesagt habe. Alles, was ich je unternommen habe, wenn Sie so wollen, ist, dass ich mir dieses Foto besorgt habe, und ich schaue es an, wenn mir danach ist.«
    »So ein toller Hecht sind Sie also, gut. Der Engel hat übrigens zu Ihren Gunsten ausgesagt, dass er nie etwas wahrgenommen hat, das auf ein Verhältnis zwischen Ihnen und der Frau Kreuziger hingewiesen hätte. Dennoch gefällt mir die ganze Angelegenheit nicht besonders. Andererseits könnte es sein, dass Sie ein besonders freundschaftliches Verhältnis zu ihr entwickelt haben, das es Ihnen jetzt erleichtern könnte, an das zu kommen, was wir brauchen, um den Fall abzuschließen.«
    »Sie meinen -«
    »Ich meine ein Geständnis. Gehen wir.«
    Wir machten uns gemeinsam auf den Weg zu Annas Haus. Der Plan war, dass Gschnitzer mit seinen Männern ein paar hundert Meter vom Haus entfernt warten sollte, während ich das Gespräch mit der Mörderin führte. Beim kurzen Marsch durch den Wald gelang es mir, mich an den Engel heranzudrängen und ein kurzes Gespräch mit ihm zu führen. Zunächst schaute er mich nur kühl an, als wären wir gar nicht miteinander bekannt. Dieser Blick, der unsere lange Zusammenarbeit, ja unsere Freundschaft nicht nur verriet, sondern sie geradezu für nie gewesen erklärte, gab mir einen Stich.
    »Engel?«
    Er antwortete nicht und schaute geradeaus. Ich sah, wie sein Gesicht härter und fester wurde.
    »Engel?«
    Er konnte aber nicht so tun, als würde er mich nicht kennen. Weil er mich kannte.
    »Engel?«
    »Was wollen Sie denn?«
    »Warum hast du mich verraten?«
    »Ich habe Sie nicht verraten.«
    »Wie bitte? Du warst mein Assistent.«
    »Solange ich Ihr Assistent war, habe ich Ihnen gedient, so gut ich konnte. Dann wurde ich Gschnitzers Assistent, und jetzt diene ich ihm, verstehen Sie?«
    »Aber -«
    »Nichts >aber<. Genau das ist es, Herr Wachmann: Da gibt es kein >aber<. Leute wie Sie werden nie verstehen, wie einfach das Leben eigentlich ist. Es ist so einfach, dass man es geradezu für einen Scherz halten könnte. Aber passt in einen Querkopf wie den Ihren einfach nicht hinein. Dabei wäre Ihr Gehirn durchaus leis-tungsfähig. Diese vielen grauen Zellen, die sich so vergeblich quälen, finden Sie das nicht schade?«
    Er lächelte und zeigte seine faulen Zähne, dabei schaute er an mir vorbei. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte.«
    Er ging plötzlich schneller. Ich hatte keine Lust, ihm zu folgen, und ließ ihn ziehen. Ich sollte ihn nie wiedersehen. Dem Engel stand eine steile Karriere bevor.
    X.
    Wieder, wie schon am Tag des Mordes, stand ich vor dem Haus, das Anna jetzt allein bewohnte. Wie oft war ich an dieser Tür klammheimlich vorbeigegangen, unter dem mir selbst vorgespiegelten Vorwand, auf dem Weg in den Wald zu sein, während es mir in Wahrheit nur darum gegangen war, an diesem Haus, an dieser Tür vorbeizugehen und kurz den Hauch der Möglichkeit zu spüren, Anna zu sehen oder gar zu sprechen. Welche absurden dienstlichen Anliegen hatte ich mir auf dem Weg zu Annas Haus in meinem Kopf zusammengesponnen, die es

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