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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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scheute, der brauchte sich auch vor der Peinlichkeit nicht zu scheuen, jemand, der nur halb so alt wie er selbst war, um Rat zu fragen.
    »Sagen Sie mal, Olaf …«
    »Ja?«
    »Wie baggert man heutzutage eine Frau an?«
Wehe, wenn sie losgelassen
    Wecke den Lafer in dir!
    So hieß der Kochkurs für Männer, den die Volkshochschule Schwäbisch Hall in diesem Herbst schon zum dritten Mal anbot.
    Männerkochen war total angesagt. Natürlich nicht das langweilige Alltagskochen für die Familie – Tag für Tag möglichst kostengünstig, reichhaltig und ausgewogen etwas Warmes auf den Tisch zu bringen, das war banal und somit etwas für Frauen –, sondern das Zelebrieren einer Kunstform, das Bezähmen der allerneuesten Herd-Technologie, das Erobern exotischer Genüsse. Kurzum: Brutzeln auf Vier-Sterne-Niveau. Nur was für die Crème de la Crème der Männlichkeit.
    Die Qualifikation des Dozenten sprang sofort ins Auge: Zum einen war er selbst ein Mann, zum anderen war er bei seinem letzten Ameropa-London-Städtereisenkurzurlaub beim Umsteigen am Bahnhof Paddington Jamie Oliver begegnetund hatte sogar ein Autogramm von ihm bekommen. Außerdem war er Exil-Franzose und hieß François Arnaud, wiewohl ihn alle nur Bocuse nannten. So einer musste doch einfach kochen können, oder? Bislang waren jedenfalls noch keine Beschwerden eingegangen.
    Seifferheld stürzte sich begierig auf diese Chance, ein Hobby vorzutäuschen, das gesellschaftliche Anerkennung fand. Es war ein kleiner Preis, einen Winter lang ein Mal die Woche in geselliger Runde am Herd zu stehen, wenn dafür das lästige Drängen seines Harems aufhörte, er solle sich doch endlich eine sinnvolle Ruhestandsbeschäftigung zulegen. Er würde aufgeschlagene Kochbücher im Haus herumliegen lassen. Das würde die Frauen besänftigen und sie nicht auf die Idee kommen lassen, in seinem Zimmer zu wühlen und seine Stick-Ausrüstung zu finden. Natürlich hatte Seifferheld nicht vor, tatsächlich kochen zu lernen. Essen war reine Energiezufuhr, warum daraus eine Art Kunst machen? Sollten ihn seine Mädels irgendwann bitten, für sie ein Drei-Gänge-Menü zu zaubern, gedachte er, alles kräftig anbrennen zu lassen oder wahlweise zu versalzen. Das würde sie lehren, ihn künftig nicht mehr an den Herd zu zitieren.
    Es war der zweite Abend der Gruppe. Die erste Nervosität war verflogen. Die Grundhürden – Wie bringe ich Wasser zum Kochen? – waren genommen.
    »Non, non, non!«, rief Bocuse und riss Nikolaus den Salzstreuer aus der Hand. »Man muss mit Zartgefühl streuen. Als ob man mit den Fingerspitzen zart auf die ’aut einer schönen Frau klopft!«
    Chefkoch Bocuse machte es vor. »’ier bitte, aus dem ’andgelenk!«
    Nikolaus, achtunddreißig Jahre alt, Golflehrer, hielt Bocuse insgeheim für schwul und glaubte daher nicht, dass der Koch wusste, wie man eine schöne Frau abklopft. Ganz im Gegensatz zu ihm, Nikolaus, der schöne Nick genannt, der seinen Golfschülerinnen gegen Aufpreis gern auch Zusatzleistungen erbrachte. Ein gutes Essen war Stufe eins des Vorspiels – und Nick wollte sein Dienstleistungsspektrum erweitern. Die Konkurrenz schlief nicht, und der neue blonde Golflehrer, ein Wikingergott, musste mit allen Mitteln ausgebootet werden, notfalls auch mit einem Kochlöffel.
    An diesem Abend war die Gruppe beim Thema Salat und Salatdressing angekommen.
    Seifferheld stand in der Ecke am Fenster und schleuderte die frisch gewaschenen Salatblätter. Natürlich von Hand in einem Handtuch. Er musste ständig an den zerquetschten Heißmangelbetreiber denken. Ihm fiel daher zu spät auf, dass er das Fenster hätte öffnen sollen. Es fiel ihm auch nur auf, weil Horst es ihm sagte.
    »Tropfenteppich auf Glasscheibe«, lautete der exakte Hinweis von Horst, der sich als Mathematiklehrer keine Gelegenheit entgehen ließ, einen korrigierenden Kommentar zu tätigen. Seifferheld nickte, befand, dass es nun schon zu spät und mithin egal war, und schleuderte weiter.
    »Das trocknen Sie hoffentlich nachher wieder ab«, sagte Guido, Schmälzle genannt, der hinter Seifferheld Möhren raspelte. Beim Raspeln gerieten ihm immer wieder die Finger zwischen Möhre und Raspelgerät, was nicht zu Blutungen, aber zu Hautschuppen auf dem Karottenhaufen führte. Seifferheld gelobte innerlich, auf keinen Fall vom Salat zu kosten.
    Schmälzle war Wanderführerautor und mit einundsechzig der Senior der Truppe. Von seinem Bestseller
Mit Schmälzle fröhlich über Stock und Stein durch

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