Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Leinwand stoben abgetrennte Gliedmaßen unter gewaltigen Blutfontänen in alle Richtungen: Der Hauptfilm fing an. Dieses Mal hieb keine Amazone mit Schwertern um sich, sondern ein mutierter Fisch tobte seinen Appetit auf Menschenfleisch wahllos aus.
Seifferheld wiederholte noch ungläubiger: »Tot in der Heißmangel?«
MaC nickte und beugte sich näher an ihn heran. Fast meinte er, ihre Nasenspitze an seinem Ohrläppchen zu spüren. »Die Polizei glaubt, dass er bei der Arbeit ohnmächtig wurde, mit der Hand in die Walzen geriet und dann von der Mangel zerquetscht wurde.« Sie schüttelte sich. Ihre Locken streiften dabei Seifferhelds Ohr. Definitiv. Kein Zweifel möglich. Der erste Kontakt!
Was nicht unbedingt Seifferhelds Konzentrationsfähigkeit erhöhte.
»Zerquetscht«, wiederholte er folglich nur.
MaC nickte. »Ja. Es ist noch nicht offiziell, aber es wird auf Unfall befunden werden. Obwohl er – und das ist der Hammer –, obwohl er seinen Tennisdress trug. Er hatte für sieben einen Platz in der Auwiesenhalle reserviert.«
»Tennisdress«, murmelte Seifferheld.
MaC lächelte. »Ich hatte als Kind einen Papagei, der konnte genauso gut nachsprechen wie Sie.«
Seifferheld riss sich zusammen. »Entschuldigung. Ich will nur die Fakten richtig einsortieren.«
MaC nickte. »Der Mann war zwar zuvor nicht mehrere Tage verschwunden, aber er war wie die anderen alleinstehend. Niemand hätte ihn vermisst, wenn die Kundin ihn nicht zeitnah nach Eintritt des Todes gefunden hätte. Und er passt exakt ins Schema. Groß, dunkel, sportlich!« MaC klang triumphierend.
»Nie und nimmer war das ein Unfall!«, erklärte Seifferheld mit Inbrunst und dem Ausdruck von Finalität.
Der Halbwüchsige drehte sich erneut um. »Also ehrlich, Leute, wenn ihr quatschen wollt, dann geht doch bitte raus.«
Wenn’s helfen soll, muss es weh tun
»Aaaaah!«, schrie Seifferheld.
»Hoppla, war das schmerzhaft?« Physiotherapeut Olaf grinste. »Ja, warum war das wohl schmerzhaft? Mache ich meine Sache nicht richtig? Nein, ich mache alles richtig. Aber irgendjemand hat ganz offensichtlich seine Übungen wieder nicht absolviert.«
Seifferheld lag in seinem Zimmer rücklings auf einer lila Isomatte. Olaf versuchte, Seifferhelds rechtes Knie in Kontakt mit Seifferhelds rechter Brustwarze zu bringen. Ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen, aber sein großes Ziel, wie Olaf gleich beim ersten Termin verkündet hatte.
»Möglicherweise bin ich in den letzten Tagen nicht regelmäßig zum Üben gekommen«, räumte Seifferheld keuchend ein. »Ich hatte Wichtigeres zu tun.«
»Wichtigeres, als wieder hundertprozentige Gelenkigkeit zu erlangen?« Olaf wurde böse. Das merkte man seinenGesichtszügen nicht an, nur dem Druck, mit dem er Seifferhelds Bein an dessen Brustkorb zu pressen versuchte. »Wichtigeres! Papperlapapp. Ich sage ja auch nicht, dass ich Wichtigeres zu tun habe, als in Ihre Invalidenhüfte wieder etwas Schwung zu bringen. Und gerade jetzt brauchen Sie allen Schwung, den Sie kriegen können, nicht wahr? Sie wollen doch nicht, dass die Hüfte im entscheidenden Moment nicht mehr mitspielt?«
Seifferheld hob die Augenbrauen. »Wie meinen Sie das?«
Olaf – Freundschaftslederarmbändchenträger, Patchoulibenutzer – strahlte über alle vier Backen. »Wie ich gestern Abend so gegen halb elf auf dem Mountainbike gen Heimat düse, komme ich doch zufällig im Lindach vorbei. Und wen sehe ich da?«
»Es ist nichts passiert!«, rief Seifferheld und wollte sich aufrichten, aber Olaf hielt sein Bein wie in einem Schraubstock fest.
»Weiß ich doch. Bin ja schließlich abgestiegen und habe mich wohlig in die liebliche Szene vertieft.«
»Spanner«, brummte Seifferheld.
»Da war definitiv ein Funke«, freute sich Olaf. »Definitiv.«
Seifferheld widersprach nicht. Er und MaC hatten sich nur fest die Hand geschüttelt, aber Seifferheld wollte verdammt sein, wenn es dabei bliebe. Zumal sie bei dem heißen Kakao aus dem Automaten, zu dem er sie nach dem Film noch eingeladen hatte, beiläufig in die Unterhaltung eingeflochten hatte, dass sie ungebunden war. Er wollte sie im Laufe des Tages in der Redaktion anrufen und sie morgen zu der Krimilesung mit Ralf Kramp und JürgenEhlers in die Stadtbücherei einladen. Wenn er den Mumm dazu aufbrachte.
Seifferheld seufzte. Er war immer stolz darauf gewesen, sich vor nichts zu drücken. Mutig der Gefahr ins Auge zu blicken, wenn es einem höheren Zweck diente. Und wer sich vor Gefahren nicht
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