Kreuzstich Bienenstich Herzstich
nickte. »Das ist meine Nichte.«
»Ah.« Die Frau blickte sich verschämt um, stellte sich dann wie ein Kleindealer mit 1a-Afghane im Sonderangebot betont unauffällig neben Seifferheld und nuschelte ihm aus dem Mundwinkel zu: »Sind Pelze jetzt generell wieder out oder kann ich meine Kaninchenfelljacke in diesem Winter noch tragen?«
3. Kapitel
Ich Tarzan – du Jane?
Marianne Cramlowski alias MaC wohnte im Lindach, in einem herrlichen Fachwerkhaus direkt am Kocher, unterm Dach mit Blick auf das Gloria-Kino, die Minigolfanlage und den Stadtpark auf der anderen Flussseite. Seifferheld führte Onis seit Menschengedenken auf der Stadtparkseite des Flusses aus, aber aus irgendeinem Grund fand er, dass Herr und Hund flexibler werden müssten. Und auch viel länger unterwegs sein sollten als sonst.
Es war Viertel vor neun, um neun würde MaC in der Redaktion des
Haller Tagblatt
sein müssen, die fußläufig in gut fünf Minuten zu erreichen war. Jede Sekunde musste sie aus dem Haus treten. Obwohl Onis sein Bein am Gloria-Kino längst gehoben hatte und gern weitergezogen wäre, trödelte Seifferheld vor den Vorschauplakaten herum, die ihn in Wirklichkeit null interessierten.
Nur noch Gewalt und Sex und alles so schnell geschnitten, dass man gar nicht mehr folgen konnte. Nein danke, ohne ihn. Hin und wieder ein schöner Klassiker mit Fred Astaire oder Audrey Hepburn auf DVD, das reichte ihm völlig, aber doch nicht diese Hau-drauf-ziehaus-Filmchen in Überlebensgröße …
»Da schau, ein Hominide und ein Canide«, flötete es plötzlich neben ihm.
MaC hatte sich angeschlichen.
»Darf ich?« Sie kraulte Onis hinter dem Ohr. Der Hund ließ es sich nur zu gern gefallen. »Was machen Sie denn hier?«
»Wir sind auf unserer Morgenrunde. Was für ein netter Zufall. Hallo MaC.« Seifferheld schob sich die Linke auf eine Weise in die Levi’s-101-Tasche, dass sein Jack-Wolfskin-Anorak aufklappte und das neue Charles-Tyrwitt-Hemd mitsamt der neuen Hugo-Boss-Krawatte sichtbar wurde. Seifferheld hatte sich beim Ankleiden unendlich viel Mühe gegeben. Nur das Beste vom Besten hatte vor seinen Augen Gewähr gefunden. Zuletzt hatte er diesen Aufwand in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts für seinen Tanzstundenball betrieben.
MaCs Blick wanderte an ihm auf und ab, sie sagte aber nichts. »Wie schade, dass ich in Eile bin. Vielleicht können wir ein anderes Mal über den Fall reden.«
»Vielleicht heute Abend?«, rutschte es aus Seifferheld heraus.
»Passt mir gut. Wenn Sie Kino mögen, warum gehen wir dann nicht in den neuen Actionfilm von Quentin Tarantino?«
»Ja gern«, hörte sich Seifferheld sagen. »Prima.«
Es klang tatsächlich so, als ob er es so meinte.
Aus dem Polizeibericht
WER ZU SCHWER IST, DEN BESTRAFT DER SCHLAMM
Blind vertraut hatte ein Lastzugfahrer am Freitag den Vorgaben seines Navigationsgeräts. Der 41-Jährige wollte mit seinem Vierzigtonner ein Zentrallager im Industriegebiet Solpark beliefern. Er folgte, aus Richtung Crailsheim kommend, der kürzesttenFahrtroute. Diese führte ihn jedoch auf einen Gemeindeverbindungsweg, der nur sechs Tonnen trägt. Beim Wendemanöver im aufgeweichten Untergrund richtete der Lkw erheblichen Flurschaden an und blieb schließlich stecken. Zwei Abschleppfahrzeuge waren nötig, um den Havaristen wieder flottzumachen.
Fischstäbchen sind auch nur tote Kiemenatmer
Wenn schon Kino, dann liebte Seifferheld es, bereits auf seinem Platz zu sitzen, sobald das Licht ausging. Dieser magische Moment, dieser Übertritt von der realen Welt in eine Anderswelt, in der alles möglich war … Aber MaC kam zu spät, und so liefen schon die Vorschaufilme im abgedunkelten Saal.
»Tut mir leid«, flüsterte MaC ihm ins Ohr. Er konnte auf diese Distanz ihr blumiges Parfüm riechen.
»Nicht doch«, wehrte Seifferheld ab. Sah man ihm seine Enttäuschung so deutlich an? Er musste dringend an seinem Pokerface arbeiten.
»Es gab einen weiteren Toten«, wisperte MaC.
»Nein!«, rief Seifferheld.
In der Reihe vor ihnen drehte sich ein Halbwüchsiger mit strengem Blick um. Seifferheld guckte streng zurück. Die raschelnden Chips-Tüten und Popcorn-Becher und Taco-Schalen der jungen Leute waren weitaus störender.
»Nein«, wiederholte er leise, jedoch mit derselben Ungläubigkeit.
»Doch«, sagte MaC. »Ein gewisser Holger Fischer. Er hat die Wäscherei auf der Tullauer Höhe betrieben. Eine Kundin fand ihn kurz vor Geschäftsschluss tot in der Heißmangel.«
Auf der
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