Kreuzstich Bienenstich Herzstich
starrte nur mit ausdruckslosem Gesicht auf die Stirn des Dobermanns. »Pascha blutet.«
»Ja, mein Hund hat auch was abgekriegt.« Seifferheld tätschelte Onis. »Ihrer ist auch ein unkastrierter Rüde, was? Die Jungs verwickeln sich gern mal in Dominanzkämpfe. Aber wer will schon einen Kastraten, was?«, scherzte er.
»Er blutet«, wiederholte der Mann monoton.
»Schlimm?« Seifferheld konnte nicht wirklich etwas erkennen. Dazu war es zu dunkel.
»Ich werde mit ihm zum Tierarzt gehen«, verkündete der Mann.
»Ja, natürlich. Warten Sie, ich schreibe Ihnen meine Adresse auf«, sagte Seifferheld und fingerte in seiner Manteltasche nach einem Stift.
»Nicht nötig. Ich kenne Sie.«
Der Mann drehte sich abrupt um und zerrte seinen Dobermann, der immer noch bedrohlich in Richtung Onis knurrte, hinter sich her.
Onis ließ das kalt. Er hechelte und schaute unbekümmert.
Seifferheld sah den Umrissen von Mann und Dobermann nach, die sich jetzt, da der Vollmond endgültig hinter einer dichten Wolkendecke zu Bett gegangen war, in Sekundenschnelle in der Finsternis verloren.
Oi, dachte Seifferheld noch, wenn das mal keinen Ärger gibt.
Aus dem Polizeibericht
HALALI!
Auf der Bundesstraße 19, Schwäbisch Hall in Richtung Kupferzell, war eine 24-jährige Opelfahrerin aus Crailsheim vorgestern gegen 21 Uhr unterwegs, als plötzlich ein kapitaler Keiler kühn die Straße kreuzte. Durch den unweigerlichen Aufprall wurde das Wildschwein getötet. Am Auto entstand Totalschaden. Die Fahrerin erlitt einen Schock und musste von ihrer Familie aus Crailsheim abgeholt werden. Die Angehörigen des Keilers konnten nicht ausfindig gemacht werden.
Alle Lust und alle List wachsen auf der Weiber Mist
»Sie wissen schon, dass Sie eine Fangemeinde haben?«
Olafs Finger flogen an diesem Tag erstaunlich sanft über Seifferhelds Haut. Wie ein Kolibri, der nur hin und wieder an der Blüte saugt und ansonsten warme Luft aufwirbelt.
»Hm?«, murmelte Seifferheld, eingelullt von den streichelzarten Berührungen und dem betörenden Duft des neuen Massageöls.
»Ihre Polizeiberichte in der Zeitung … Jetzt mal ehrlich, saugen Sie sich das aus den Fingern?«
»Aber nein.« Seifferheld holte wohlig Luft und atmete tief aus. »Ich halte mich streng an die Fakten, auch wenn ich die eine oder andere blumige Wendung einflechte. Nur mit der Auswahl der Meldungen gehe ich vielleichtetwas lockerer um als meine Vorgänger. Aber warum immer von den obligatorischen Auffahrunfällen oder den um sich greifenden Sachbeschädigungen berichten?«
Seifferheld beichtete nicht, wie sehr es an ihm nagte, dass man ihm das Verfassen des Polizeiberichtes quasi als Almosen hingeworfen hatte. Und dass er alles dafür tat, damit man ihm diese Aufgabe möglichst bald wieder entzog. Das, so glaubte er, war er seinem Stolz schuldig.
»Jedenfalls sind die Leute ganz verrückt danach«, fuhr Olaf fort. »Haben Sie heute die Leserbriefe gelesen?«
»Nein.«
»Allein drei zu Ihren Polizeiberichten!« Olaf klang mächtig stolz. Als ob er einen Promi vom Kaliber eines Bill Clinton unter den muskulösen Fingern hätte.
Seifferheld schmunzelte innerlich. Jetzt würde es zweifellos nicht mehr lange dauern, bis der Polizeichefin der Geduldsfaden riss.
»Erfrischung gefällig?«, rief es in diesem Moment von der sich öffnenden Tür.
»Karina!«, donnerte Seifferheld ungnädig. Mochte man ihn altmodisch nennen, aber es ging nicht an, dass seine Nichte ihn nackt sah.
»Cool bleiben, Onkelchen«, säuselte Karina und eilte mit einem Tablett auf die Massageliege zu, auf dem eine Mono-Teekanne und zwei Teetassen standen. »Grüntee aus Japan. Echter Sencha.«
»Massageölhände«, entschuldigte sich Olaf.
Seifferheld erkannte seine Nichte nicht wieder. Vorbei war auf einmal die Zeit der provokativen Hässlichkeit. Sie trug ein weißes Wollkleid, das samtig aussah und sich wie eine zweite Haut um ihren schmalen Körper schmiegte.Die Zehennägel waren zartrosa lackiert, was man sah, weil sie barfuß herumlief. Und die Haare! Ein fast natürlich zu nennender Braunton. Und auch noch ordentlich frisiert.
»Keine Ausreden«, flötete Karina, schenkte etwas Tee in einen der Becher und hob ihn an Olafs Lippen. »Vorsichtig trinken.«
Olaf trank gehorsam. »Hm. Tatsächlich Grüntee. Schmeckt irgendwie nach Fisch.«
»Ist echt japanischer Grüntee mit Algen.«
»An denen offenbar ein Fisch sehr dicht vorbeigeschwommen ist. Der dabei noch einen hat fahren lassen«, mutmaßte
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