Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Olaf und schüttelte den Kopf, als sie ihm den Becher neuerlich an die Lippen halten wollte.
Es war nicht herauszuhören, ob er begeistert war oder nicht.
»Karina, bitte«, brummte Seifferheld.
»Ist gut, ich bin ja schon weg«, sagte sie zu ihrem Onkel und »Man sieht sich« zu Olaf.
Irrte sich Seifferheld oder hatte Karina Olaf gerade zugezwinkert?
Spätestens mit den dritten Zähnen drängt es den Mann zur Zweitgattin
Seifferheld wurde von einer jungen Frau in einem regenbogenbunten Hosenanzug von Dolce & Gabbana – er kannte sich mit Mode nicht aus, aber Dolce & Gabbana stand in großen, diamantengleichen Lettern auf dem Blazerrücken – in einen Raum geführt, dem die Bezeichnung Raum nicht gerecht wurde. Saal wäre ebenfalls noch eineUntertreibung gewesen. Man hätte mühelos die Oper
Aida
aufführen können – inklusive hundert Statisten und drei Elefanten –, ohne dafür auch nur die Möbel verrücken zu müssen.
Die junge Frau zeigte auf einen riesigen Lederfauteuil, in dem Seifferheld weitgehend verschwand, als er sich hin eingleiten ließ. Er fürchtete schon, das Polster würde über ihm zusammenklappen und er würde endlos in die Tiefe sinken und wie in Dürrenmatts Tunnelgeschichte nie wieder das Licht des Tages sehen. Aber in einem Akt übermenschlicher Willenskraft tauchte er gleich darauf, sich an seine Gehhilfe klammernd, aus den Untiefen des Sessels wieder auf und schnappte ein bisschen panisch nach Luft. Die junge Frau war jedoch verschwunden.
Seifferheld sah sich um.
Wer in Schwäbisch Hall Geld hatte, der pflanzte seine Villa auf den Monte Bonzo, den Bonzenberg, der eigentlich Klingenberg hieß – vorzugsweise mit Blick auf die Stadt und das Kochertal, aber auch die der Stadt abgewandte Seite des Hügels barg noch so manche dezent hinter Hecken verborgene Kostbarkeit.
Der Bungalow der Rettenbergs, in unmittelbarer Nähe zum Haus eines ehemaligen Kultusministers und der Villa des momentanen Vorstandsvorsitzenden der Bausparkasse, gehörte ebenfalls dazu. Von außen wirkte er wie ein schlichter Flachbau, aber sobald man die Eingangstür hinter sich hatte, nahmen die Dimensionen zu. Wie auch der Luxus.
Weil man nur sieht, was man kennt, sah Seifferheld natürlich nur, dass das Mobiliar äußerst edel war, auch wenn er die Designer nicht erkannte. Sein letztes Möbelstückhatte er noch zusammen mit seiner Frau im Haller Einrichtungshaus Gunst erstanden und das hatte er schon für etwas Besonderes gehalten. Er gehörte nicht zu denen, die sich mal eben einen Starck-Hocker aus Paris oder ein Ralph-Lauren-Sofa aus New York einfliegen lassen konnten.
Durch die Fenstertüren sah man hinaus in den herrlichen Garten, um den sich ganz zweifellos ein Fachmann kümmerte. Kein Blatt scherte aus der Reihe.
Das perfekte Vorzeigehaus.
Seifferheld war froh, seinen guten Anzug angezogen zu haben.
In dem er allerdings sehr wie ein Konfirmand aussah.
Und ziemlich stark transpirierte.
Früher mochte man seinen Reichtum durch teure Kunst an den Wänden demonstriert haben, doch im neuen Jahrtausend zeigte man durch kräftiges Verschwenden von Heizöl und Strom, dass man Geld hatte. Der Kristalllüster über seinem Kopf tauchte Seifferheld förmlich in gleißendes Scheinwerferlicht, die Heizkörper gluckerten und das echte Kaminfeuer links neben ihm loderte. Im siebten Kreis der Hölle konnte es auch nicht heißer sein. Seifferhelds Transpiration wuchs sich allmählich zu echtem Schwitzen aus. Er überlegte, ob er sein Jackett ausziehen sollte.
»Hat Gabriele Ihnen schon etwas zu trinken angeboten?«, ertönte plötzlich eine wohlmodulierte, geschlechtslose Stimme.
Am anderen Ende des Raumes stand eine Person im Türrahmen. Sie war so weit weg, dass man unmöglich Einzelheiten ausmachen konnte.
»Äh … nein«, sagte Seifferheld.
»Vielleicht einen Tee?«
Ein Heißgetränk war eigentlich das Letzte, was er jetzt wollte.
»Gern«, sagte er dennoch.
»Earl Grey, Oolong, Darjeeling, Assam, Lapsang Souchong, Verbene …«, fragte die Stimme weiter.
»Einfach schwarz«, unterbrach Seifferheld und outete sich damit natürlich sofort als Angehöriger einer minderen Gesellschaftsklasse, der einen First Flush nicht von einem Second Flush unterscheiden konnte. »Mit Milch«, setzte er noch eins drauf, weil es jetzt ohnehin egal war. Und weil er seinen Tee nun einmal gern mit Milch trank.
»Gabi, einen Beutel Meßmer für den Herrn«, rief die Stimme.
»Sie müssen entschuldigen, der Service in
Weitere Kostenlose Bücher