Kreuzstich Bienenstich Herzstich
Hitze gar nicht aufgefallen, dass Seifferheld ihr mitnichten seine Hundemarke gezeigt hatte, sondern seinen Mitgliedsausweis vom Historischen Verein für Württembergisch Franken, Mitgliedsnummer 20641.
Seifferheld konnte durchaus charmant sein und es war nahezu unmöglich, sich der vollen Wucht seiner gletscherblauen Augen zu entziehen, sobald er einmal seine Charmeoffensive gestartet hatte. Frau Dorner, verwitwete Deichmann, geschiedene Plattberg, geborene Stratthaus, hatte keine Chance.
»Bitte, treten Sie doch ein. Sie müssen die Unordnung und den Schmutz entschuldigen. Meine kroatische Putzfrau kommt erst morgen.«
Sie führte Seifferheld in ein makellos sauberes, penibel aufgeräumtes Wohnzimmer. »Setzen Sie sich doch bitte.«
Der Plastikschonbezug auf dem Sofa quietschte obszön, als Seifferheld sich darauf niederließ. Das Wohnzimmer war ein kleiner, übervoll möblierter Raum. Was auf den ersten Blick wie ein Kaminfeuer knisternd flackerte, erwies sich auf den zweiten Blick als Fernsehbildschirm, auf dem eine Kaminfeuer-DVD lief. Auf einem Beistelltisch standen eine fast leere Karaffe und ein Glas.
»Ein Sherry? Ach, was sage ich denn da, Sie sind ja im Dienst.« Frau Dorner kicherte wie ein Teenager. »Tee? Kaffee? Fruchtsaft?« Sie kicherte erneut und Seifferheld hätte seine Invalidenrente darauf verwettet, dass mehr Sherry als Blut durch ihre Adern floss. Dies war jedoch nicht der rechte Moment, um sich in philosophische Betrachtungen über den Alkoholkonsum Haller Hausfrauen zu ergehen.
»Für mich nichts, danke.«
»Aber doch sicher eine Rauchware?« Sie öffnete die Tür des Eichenkabinetts neben dem unechten Kaminfeuer und trat zur Seite. Seifferheld sah eine Holzhalterung, in der sich mehrere Pfeifen befanden. »Ich finde, Männer sehen mit einer Pfeife in der Hand einfach männlicher aus. Welche darf ich Ihnen reichen?«
Seifferheld rauchte nicht. Ihm wurde schon beim Gedanken an Tabak übel. Er hatte seinerzeit quasi im Alleingang das Rauchverbot bei Mord zwo durchgesetzt. Aber wenn es der Ermittlung diente …
»Danke, sehr freundlich. Mich lacht die Meerschaumpfeife an.«
Sie reichte ihm Pfeife, eine Streichholzschachtel undeinen Tabakbeutel. Seifferheld, der keine Ahnung vom korrekten Procedere des Pfeifenrauchens hatte, griff beherzt in den Beutel und stopfte die Pfeife voll. Dann zündete er sie an und schob sich das Mundstück zwischen die Lippen. Er saugte. Er blies. Nichts tat sich. Keine kleinen Rauchwölkchen. Egal. Seifferheld beschränkte sich darauf, die leise glimmende Pfeife vor sich in die Luft zu halten. »Frau Dorner, was können Sie mir über Herrn Klier erzählen?«
Sie ließ sich sehr damenhaft auf den zum Sofa passenden Sessel nieder, ebenfalls mit Plastik überzogen. Bei ihr quietschte nichts.
»Was wollen Sie denn hören?« Ihre Stimme klang nicht mehr ganz so fröhlich, und als sie sich Sherry aus der Karaffe einschenkte, zitterte ihre Hand. Vor Wut, wie Seifferheld intuitiv zu erkennen meinte.
»Alles«, erwiderte er. »Jede noch so unbedeutende Kleinigkeit könnte sich für den Ermittlungsverlauf als wichtig erweisen.« Er wedelte ein wenig mit der Meerschaumpfeife, die ihm erstaunlich leicht in der Hand lag.
Frau Dorner zuckte mit den Schultern. »Er wohnte hier zur Untermiete. Das Zimmer habe ich allerdings schon räumen lassen. Was ihm gehörte, steht im Keller in einem Karton. Das städtische Notariat will mir Bescheid geben, sobald irgendwelche Verwandten gefunden werden. Und die Möbel habe ich der Haller Arbeit gestiftet. Bestimmt gibt es irgendeine Asylantenfamilie, die sich dar über freut.«
Sie sah seinen fragenden Blick. »Wir wollten ohnehin nicht noch einmal untervermieten. Es ist doch ein enormer Eingriff in die Privatsphäre, wenn man einen fremdenMenschen im Haus hat. Wir haben das auch nur gemacht, als mein Mann damals freigestellt wurde. Aber jetzt hat er ja wieder eine Stelle.« Ihr Blick wanderte zur Wand und von dort in weite Ferne.
»Ihr Mann ist viel unterwegs?«, mutmaßte Seifferheld. Wenn er in all den Jahren bei der Kripo eines gelernt hatte, dann das, seinem Bauchgefühl zu vertrauen. Und sein Bauch raunte ihm zu, dass eine sehr, sehr einsame Frau vor ihm saß.
Sie senkte den Kopf. »Wir führen eine Wochenendehe.« Sie schnorchelte leise. »Fast schon eine Alle-zwei-Wochen-Wochenendehe.«
Seifferheld nickte. »Da war es doch sicher tröstlich, jemanden im Haus zu wissen, der für Sie da war, nicht wahr?« Er legte eine
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