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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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aber nicht.
    »Wollen wir mal wieder ausgehen?«, fragte er stattdessen.
    »Sehr gern.«
    Seifferheld atmete auf. Wie angenehm, dass sie keine Spielchen spielte und nicht auf spröde machte.
    »Du, ich muss los. Wir telefonieren, ja?« Und schon hatte sie aufgelegt.
    Hm, wollte sie ihn abwimmeln? Seifferheld kam ins Grübeln. Verdammt, Liebe war mühsam. Mit sechzig ebenso wie mit sechzehn.
Held trifft auf Eisprinzessin und zieht sich Frostbeulen zu
    Das Haus atmete Gemütlichkeit.
    Gepflegtes Fachwerk. Blumenkästen vor jedem Fenster, in denen es auch jetzt, im Herbst, noch blühte. Ein melodischer Klingelton. Ein kleines Paradies.
    Die Frau, die Seifferheld die Tür öffnete, war allerdings aus anderem Holz geschnitzt. Eindeutig Hartholz. Wennjemals Satan höchstselbst ein Gesicht modelliert haben sollte, dann ihres. Attila der Hunne hätte sich neben ihr als freundliche Lichtgestalt ausgenommen. Unwillkürlich trat Seifferheld einen Schritt zurück.
    »Ja?«
    Ihre Stimme ließ einem das Blut in den Adern gefrieren. Die Vögel im Garten, die bis eben noch gezwitschert hatten, verstummten abrupt.
    Seifferheld wagte es nicht, seinen Mitgliedsausweis für den historischen Verein hervorzuholen. Die Frau hätte ihn unverzüglich durchschaut.
    »Siegfried Seifferheld«, sagte er daher nur. »Ich hätte einige Fragen zu Herrn Prenzlau.«
    »Mein Mann ist nicht da!«, Bäffte die Frau, die um die sechzig sein musste und einen beigefarbenen Kaschmirmantel trug. Sie erinnerte Seifferheld in ihrer Rigidität an seine Kindergartentante, eine kinderverachtende Diktatorin, die den Kleinen Pflaster über die Lippen zu kleben pflegte, weil ihr Kindergeplapper auf die Nerven ging.
    Eine getigerte Katze tauchte hinter der Frau auf, strich an ihrer nylonbestrumpften Wade entlang und miaute.
    »Ihr Mann?«, fing Seifferheld an, nach Worten ringend. Er musste sich durch ein unsichtbares Pflaster kämpfen. Oh, die Macht der Psyche!
    »Ich hatte mit diesem Subjekt Prenzlau keinerlei Kontakt. Sie müssen mit meinem Mann reden«, fuhr die Frau fort und sorgte somit für Erleuchtung. Nicht aber für Gastfreundschaft, denn sie schlug Seifferheld die Tür vor der Nase zu.
    Das war ihm zu seiner aktiven Zeit nie passiert, weswegen er einen Moment brauchte, um sich zu fangen.
    Er klingelte erneut.
    Die Haustür ging auf. Die Frau – an der Türklingel stand kein Name – hatte sich zwischenzeitlich ihres Mantels entledigt. Die Katze klebte ihr aber noch an der Wade.
    »Ja?«
    »Seifferheld«, wiederholte Seifferheld, als ob alles gut werden würde, wenn er noch mal von vorn anfing. »Erwarten Sie Ihren Mann denn in Kürze zurück? Ich habe einige ermittlungstechnische Fragen.«
    »Ach so, ich dachte, Sie sind von der Presse. Na, dann kommen Sie herein. Mein Mann muss gleich wieder da sein. Er ist nur kurz zum Einkaufen.«
    Seifferheld folgte ihr mit gemäßigtem Hinken durch den schmalen Flur in ein Puppenstubenwohnzimmer mit herrlichem Blick über die Stadt. Und die Rückseite von Seifferhelds ehemaligem Kindergarten. Vier Jahre lang hatte er dort unter Fräulein Elisabeth gelitten. Ihm war diese räumliche Nähe zu diesem Ort des Schreckens gar nicht bewusst gewesen. Kein Wunder, dass alte Erinnerungen in ihm hochkrochen wie fiese Monster aus einer schlammigen Urzeitbrühe.
    »Setzen Sie sich.« Es klang mehr wie ein Befehl, nicht wie eine freundliche Aufforderung. »Aber lehnen Sie sich mit dem Hinterkopf nicht an die Sessellehne, sonst kriegt Walter Zustände. Die geklöppelten Zierdeckchen sind schmutzempfindlich.«
    Drei Sessel und ein Sofa standen in dem kleinen Wohnzimmer und auf allen Rückenlehnen lagen filigrane Zierdeckchen. Und mittig auf dem Sofa thronte – Seifferheld wurde kurz schwindelig und er musste sich an einem der Sessel festhalten – ein Kissen. Ein Kissen, dass er – SiegfriedSeifferheld – mit eigener Hand bestickt hatte. Ein Kissen von ihm. »I love Germany« stand in hellblauen Knötchenstichen darauf.
    Etwas Warmes breitete sich in seinem Innern auf.
    Gleich darauf hatte er sich aber wieder gefangen. Nur keine Schwäche zeigen. Nicht im Beisein dieses Klons von Fräulein Elisabeth.
    »Es ist noch ein Rest Kaffee in der Küche. Moment«, sagte Frau Wegener.
    Dass sie Wegener hieß, entnahm Seifferheld den gerahmten Zeugnissen über dem Sideboard. Sigrid Wegener. Bestandene Prüfung zur Fremdsprachensekretärin. Bestandene Fortbildung zur Business Executive Assistant. Auszeichnung zur Mitarbeiterin des Jahres.

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