Kreuzstich Bienenstich Herzstich
unterhalten.
»Ich lebe jetzt fast vierzig Jahre in Deutschland, aber im Kurs kommt so ein französischer Akzent einfach besser an. Klingt authentischer«, meinte François Arnaud-Wegener alias Bocuse. »So muss es auch Rudi Carrell gegangen sein. Von wegen holländischer Zungenschlag.«
Seifferheld lächelte. »Ich werde Sie nicht verraten.«
Bocuse rieb sich mit der Hand über die Augen. »Furchtbar, das mit Peter. Ich kann’s noch gar nicht glauben.«
Seine Trauer war echt. Aber auch Mörder können trauern, dachte Seifferheld.
»Waren Sie befreundet?«
»O nein.« Bocuse schüttelte die schwarzen Locken.Die nicht gefärbt aussahen. Bestimmt war er eine ganze Ecke jünger als seine Frau. »Aber er war ein netter Kerl mit ordentlichen Geschmacksknospen und hin und wieder habe ich neue Rezepte an ihm ausprobiert.«
»Hatte er viel Kontakt zu anderen Menschen?«
»Seit sie ihn in seiner alten Firma gefeuert haben nicht mehr. Anfangs hat er sich ja noch um eine neue Stelle bemüht. Aber in seinem Alter …« Das Gesicht des Franzosen wurde hart. Wie man eben schaute, wenn man über andere erzählte, was man am eigenen Leib erlebt hatte. »Hin und wieder kam ein Anglerfreund vorbei. Ein Schorsch Irgendwas. Peter hat uns einander nie vorgestellt.«
»Irgendwelche neuen Bekanntschaften in letzter Zeit?«, wollte Seifferheld wissen.
»Bekanntschaften?« Bocuse grinste anzüglich. »Frauenzimmer?«
Seifferheld zuckte unverbindlich mit den Schultern. »Als Hartz-IV-Empfänger hatte er sicher nicht viele Chancen. Kein Geld, um sich dort aufzuhalten, wo die Frauen sind. Und wenn doch, dann nicht genug Geld, um sie auf ein Getränk einzuladen.«
»Sie verstehen nicht viel von Frauen, oder?«, meinte Bocuse plump.
Seifferheld schwieg. Nicht schmollend. Männer schweigen nicht schmollend. Männer schweigen verbissen. Männlich eben. Er war sooo kurz davor, Bocuse von MaC zu erzählen. Aber dann versetzte er sich innerlich eine Ohrfeige. Bei Gesprächen mit Zeugen niemals an sich selbst denken. Distanz wahren. Ganz auf den anderen eingehen.
»Peter war ein gutaussehender Mann mit Charme. Er hätte an jedem Finger zehn Frauen haben können. Aber er ging lieber zum Angeln. Obwohl ich in letzter Zeit dachte …« Bocuse schaute versonnen.
»Ja?«, forderte Seifferheld ihn auf.
»Noch einen Trollinger«, rief Bocuse in Richtung Theke.
»Kommt sofort«, rief der Wirt, der gerade ein Weinglas mit dem Geschirrhandtuch auf Hochglanz polierte.
»Sie dachten?«, wiederholte Seifferheld.
»Ich dachte?« Bocuse schaute erstaunt. »Ach so … ja, ich dachte, er hätte jemand kennengelernt. Aber ich weiß nichts Genaues. Ich habe das nur daraus geschlossen, dass ich ihn vor ein paar Wochen abends ausgehen sah. Mit Krawatte!«
Seifferhelds linkes Ohrläppchen bitzelte, wie immer, wenn ihm sein Bauchgefühl etwas sagen wollte. Man hätte denken können, dass es für seinen Körper einfacher gewesen wäre, bei einem Bauchgefühl den Bauchnabel bitzeln zu lassen, aber nein, es war stets das linke Ohrläppchen.
»Sie wissen nicht, mit wem er ausgegangen ist?«
Bocuse nickte, meinte damit aber den Wirt, der ihm gerade sein zweites Glas Trollinger servierte.
»Ich wollte ihn nicht darauf ansprechen. Hätte ihm sowieso nur abraten können. ›Nie mit Frauen einlassen‹, das ist mein Rat an die Männer. Ja schön, es gibt den einen oder anderen Bonus. Aber es kann auch der Super-GAU eintreten: die Ehe!« Bocuse nahm große Schlucke Wein. »Die Ehe ist das Antimittel gegen Glück. In der Ehe werden deine Gedärme auf eine Ankerwinde gespult und indie Tiefsee versenkt. Du wirst auf ein Fadenkreuz genagelt und unablässig bombardiert, bis du dir nur noch den Tod wünschst.« Bocuse kippte seinen Wein und winkte mit dem leeren Trollingerglas dem Wirt zu.
Seifferheld seufzte. Frau Wegener hatte ganze Arbeit geleistet. Wenn sogar ein Franzose nicht mehr an die Liebe glaubte. Wiewohl, an die Liebe glaubte er womöglich schon noch, nur nicht an die Ehe. Tja, das war es dann wohl.
Doch eines galt es noch zu klären.
Seifferheld räusperte sich. »Ich habe in Ihrem Wohnzimmer das Kissen gesehen. Und die Zierdeckchen«, sagte er so unverbindlich als möglich.
Bocuse nickte.
»Sehr hübsch. Machen Sie auch Handarbeiten?«
Bocuse lachte schallend auf. »Handarbeiten? Mon dieu, wofür halten Sie mich? Ich bin ein Mann, keine Strickliesel mit Hosen!«
Und hier ein Reiseruf: Die schwesterliche Solidarität und die brüderliche
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