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Kreuzstich Bienenstich Herzstich

Titel: Kreuzstich Bienenstich Herzstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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eine weiße Ledercouch. Jedenfalls nicht so … so normal.
    Normal im Sinne von absolut unspektakulär. Durchschnittlich. Inklusive dem angebissenen Käsebrot auf dem Teller neben dem Telefon und den matschverkrusteten Joggingschuhen unter dem Schreibtisch. Er lag auch nicht auf einer Couch, sondern saß in einem Ikea-Sessel. Der Blick aus dem Fenster zeigte die Stadtmauer von Vellberg, wo Barth seine Praxis hatte. Irmgard hatte Seifferheld extra chauffiert, weil um diese Zeit kein Bus fuhr.
    Volker Barth schob sich die randlose Brille auf die Nase. »Also schön, Herr Seifferheld, ich habe Sie dazwischengeschoben, weil ich MaC noch einen Gefallen schuldete. Wir wollen aber gleich auf den Punkt kommen, ja? Eigentlich müsste ich schon längst in der Psychiatrie in Heilbronn sein. Eine Patientenbegutachtung«, fügte er im Nachsatz hinzu, als ob Seifferheld vermuten könnte, er solle selbst eingewiesen werden.
    Während ihm Seifferheld von den verschwundenen Männern erzählte, die tot aufgefunden worden waren, und von seiner These, dass es eine Verbindung gebenmüsse, seiner Meinung nach den Sport, versuchte Barth, eine Kaffeemaschine in Gang zu setzen, die versprach, aus einem kleinen, weißen Beutelchen ein dampfendes Heißgetränk zu zaubern. Das Gerät wehrte sich und Barth musste mehrmals mit der Handkante dagegenschlagen. »Sorry«, sagte er dann über seine Schulter in Richtung Seifferheld. »Reden Sie ruhig weiter, ich höre Ihnen zu.«
    Als Seifferheld fertig war und sich tatsächlich eine braune Flüssigkeit in den beiden angeschlagenen Tassen befand, die Barth auf den Teppich aus Papieren gestellt hatte, die den Schreibtisch unter sich begruben, beugte sich Barth über die Fotos der Toten, die Seifferheld mitgebracht hatte, stieß mehrmals kehlige Laute aus und lehnte sich dann auf seinem Ikea-Schreibtischstuhl zurück.
    »Der Täter will gefunden werden«, erklärte Barth.
    »Er hinterlässt aber doch keinerlei Hinweise. Und er sammelt auch nichts – den Toten fehlten weder Besitztümer noch irgendwelche Körperteile«, sagte Seifferheld.
    Barth lächelte sphinxgleich und trank schlürfend seinen Kaffee.
    »Außer dem Sport erkenne ich da keinen roten Faden«, sagte Seifferheld.
    Das Lächeln der Sphinx schien plötzlich zu besagen, dass Seifferheld selbstverständlich nichts erkennen konnte, weil er ja auch kein psychologisch geschultes Tiefenverständnis besaß.
    Volker Barth war Seifferheld zutiefst unsympathisch. Er musste aber einräumen, dass es nicht an dem melierten Bärtchen, an der randlosen Brille oder dem Fischgratblazer lag, sondern eventuell damit zusammenhing, weshalb er Barths Bekanntschaft überhaupt gemacht hatte.
    MaC hatte die Männer zusammengebracht. Barth schulde ihr etwas, hatte sie Seifferheld erklärt. Was denn? Hatten die beiden eine Affäre gehabt? Wieso war ihr dieser Mann etwas schuldig? Seifferheld schnaubte.
    Barth stellte seine Tasse ab und presste die Fingerspitzen aneinander. Lange, schmale Pianistenfinger. Finger, wie sie Frauen liebten. MaC auch?
    »Die Toten wurde mit vernachlässigbaren Ausnahmen an öffentlichen Orten gefunden. Das ist ein deutliches ›Schaut her‹, eine Art Visitenkarte des Täters.« Barth lächelte noch breiter. »Ein ganz klassischer Fall. Wie aus dem Lehrbuch. Die Abstände zwischen den Morden werden immer kürzer. Dem Täter geht offenbar die Zeit aus, weil er in Bälde ein halbes Jahr für das Rote Kreuz nach Afghanistan muss. Oder weil er merkt, dass er nicht finden wird, was er sucht. Er wird immer hektischer. Er weiß, dass er auf diese Weise keine Erfüllung finden kann. Darum mordet er jetzt wie besessen. Weil er gefunden werden will. Weil er dann im Gefängnis wieder dem Prinzip Hoffnung anhängen kann. Im Moment sieht er sich der Realität gegenüber. Hinter Gittern kann er hoffen.«
    »Ach ja?« Seifferheld hatte nicht ganz so höhnisch klingen wollen.
    Barth nahm die Brille ab.
    Die Männer sahen sich an und schwiegen.
    Im Schweigen war Barth leider Gottes besser.
    »Er wird also weitermachen?«, fragte Seifferheld nach gefühlten zehntausend Jahren.
    »Mit absoluter Sicherheit.« Barth klopfte mit einem knochigen Finger auf die Fotos. »Und ich sage Ihnen noch was: Ihr Täter ist entweder schwul oder eine Frau.«
    Seifferheld bemühte sich sehr um ein Pokerface.
    »Schauen Sie sich diese Männer an«, forderte ihn Barth auf. »Durchtrainierte Kerle, alle von südländischer Feurigkeit. Das nennt man Beuteschema.«
    Vielen Dank

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