Kreuzstich Bienenstich Herzstich
mümmeln alles, was auf den Tisch kommt. Also, ich hab sie richtig liebgewonnen«, verkündete er.
Seifferheld schüttelte den Kopf. »Klaus, deine Wohnung braucht dringend eine weibliche Hand.«
»Die Hand der Witwe Nonnemacher ist ja nun leider vergeben.« Klaus wand sich vor diebischer Schadenfreude.
Seifferheld seufzte. Es nützte ja nichts, er musste auf den Punkt kommen.
»Klaus, ich will nicht lange um den heißen Brei reden: Du musst mir einen Gefallen tun.«
Männer, lernt sticken!
Seifferheld saß in seinem Schaukelstuhl und stickte zu den gedämpften Klängen der bachschen Klavierkonzerte in der frühen Interpretation von Glenn Gould.
Onis lag auf seinem Lieblingsplatz vor dem Fenster. Das einfallende Vollmondlicht umspielte seinen leuchtenden Hundekörper. Ein Bild des Wohlbefindens. Er schnurrte leise, obwohl ihn niemand streichelte. Wahrscheinlich wurde er im Traum gekrault. Vierhandgekrault.
Seifferheld fühlte sich nicht ganz so wohl wie sein Hund. Zu viel ging ihm durch den Kopf.
War es ethisch-moralisch vertretbar, Klaus als Lockvogel zu benutzen? Er hatte schon früher junge Kollegen in den Undercover-Einsatz geschickt, aber der gesamte Polizeiapparat hatte stets zur Verfügung gestanden und das Risiko war einschätzbar gewesen. Jetzt gab es nur ihn, Seifferheld, und ein völlig unbekanntes Risiko. Wenn Klaus etwas zustoßen sollte, würde Seifferheld sich das niemals verzeihen.
Seifferheld ging aber noch mehr durch den Kopf. Wie sollte er seinem Bruder jemals wieder in die Augen schauen? Sein Bruder hatte ihm seine einzige Tochter anvertraut, ein unschuldiges, behütetes Geschöpf mit hellbraunen Haaren im Schottenrock, und was gab ihm Seifferheld zurück? Eine mehrfach angezeigte, demnächst zweifellos vorbestrafte, bauchfreie Polit-Aktivistin mit frisch in Knallpink gefärbten Haaren.
Würde die Sache zwischen Susanne und Olaf halten? Olaf war um einiges jünger und führte ein ganz anderes Leben. Wer würde da wem das Herz brechen? Susanne mochte taff wirken, aber das verletzliche, kleine Mädchen schlummerte immer noch in ihr, daran hegte er keinerlei Zweifel – und nicht nur, weil er ihr Vater war. Andererseits hauste diese zarte Mädchenseele in einem knallharten Managerinnenkokon, und wenn Susanne entsprechend aufgelegt war, würde sie Olaf ohne Gewissensbisse nach der Paarung bei lebendigem Leib verschlingen und auf ewig traumatisiert wieder ausspucken. Und wer würde ihn, Seifferheld, dann massieren?
An dieser Stelle musste er aus irgendeinem Grund automatisch an MaC denken. Wie würde es mit ihm und MaC weitergehen? Hatten zwei alte, lebenssatte, durchzahlreiche Schicksalsschläge herzvernarbte Menschen überhaupt noch eine Chance auf Liebesglück?
Und musste er sich Sorgen um Irmi machen? Natürlich glaubte er keine Sekunde, dass sie nächtens durch die Haller Gassen zog und Männer mordete. Aber sie schien in letzter Zeit immer verbitterter zu werden. Ob sie wohl das Gefühl hatte, ihr Leben sei ihr zwischen den Fingern zerronnen? Wie konnte er dafür sorgen, dass sie auf ihre alten Tage noch erfülltes Glück fand? Er musste an die rot umkringelte Anzeige im
ZEIT-Magazin
denken. Seifferheld hatte die Zeitungsbeilage extra aus dem Altpapier gefischt.
Unternehmer, 49, dunkel, schlank, gänzlich ohne Anhang, sucht Powerfrau, gern älter, für Bach, Baselitz, Brecht. Raum Süddeutschland. Bitte mit Bild. Chiffre xxx.
Onis wachte auf, hob abrupt den Kopf, gähnte, sah sich um, sah, dass es nichts zu sehen gab, legte den Kopf wieder ab, seufzte tief und war sofort wieder eingeschlafen.
Noch so ein Thema für Seifferheld. Wie würde es mit Onis weitergehen? Würde er mit dem Widerspruch durchkommen? Das war doch kein Leben, immer mit Maulkorb an der Leine unterwegs zu sein. Wie konnte es angehen, dass ein völlig unbescholtener Hovawart, der sich ein einziges Mal mit einem anderen Rüden gekabbelt hatte, ebenso abgestraft wurde wie der Pitbull eines Zuhälters, der auf einem Spielplatz auf ein Kleinkind losgegangen war? Eine eklatante Ungerechtigkeit.
Aua!
Vor lauter Empörung hatte sich Seifferheld in den Finger gestochen. Bloß nicht auf den Stoff bluten. Er saugte die kleine, kreisrunde Einstichstelle blutfrei.
Das kam davon, wenn man im Akkord sticken musste. Seifferheld zweifelte sehr daran, ob er die Kissenlieferung nach Rothenburg rechtzeitig würde fertigstellen können. Ob er mit der Enttäuschung der Japaner leben konnte?
Apropos Sticken. Warum dieses Leben der
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