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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Rahn
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Gui de Levis ein Waffengefährte und Freund Simons von Montfort, hatte in den Trümmern der Ketzerfestung eine Wache und eine Koppel auf Ketzer abgerichteter Spürhunde gelassen.
    In mondhellen Nächten wanderten die hageren bleichen Reinen schweigsam und stolz durch den Wald von Serralunga immer höher hinauf, bis das Heulen der Höhlenkäuze von dem Wind übertönt wurde, der in den Taborschluchten eine gigantische Äolsharfe erklingen läßt. Von Zeit zu Zeit nahmen sie auf mondüberspielten Waldlichtungen ihre Tiara ab, entnahmen der Lederrolle auf ihrer Brust das Evangelium des Jüngers, den der Herr lieb hatte, küßten das Pergament, knieten nieder, das Antlitz dem Mond zugewendet, und beteten:
    »... und gib uns unser überirdisch Brot ... und erlöse uns von dem Übel ...«
    Dann gingen sie weiter in den Tod. Wenn die Hunde geifernd an ihnen emporsprangen, wenn die Henker nach ihnen griffen und sie schlugen, blickten sie hinüber nach Montsegur und hinauf zu den Sternen, wo sie ihre Brüder wußten. Dann ließen auch sie sich verbrennen.
    Nach dem Sturz Montsegurs blieben den Geächteten - faydits nannte man sie - nur noch die Wälder und Höhlen. Hier gewährten die Bergtiefen und die undurchdringlichen Dornenhecken sicheres Asyl. Um ihrer habhaft werden zu können, machten die Inquisitoren den Versuch, das Brombeer- und Stechginstergestrüpp zu beseitigen. Diese Aufgabe überließen sie einem gewissen Bernhard, mit dem Beinamen Espinasser oder Dornenschneider. Die Sage will wissen, er hänge im Monde am Galgen ...
    Um die Ketzer in ihren Schlupfwinkeln leichter ausfindig machen zu können, richteten die Dominikaner Hunde auf Ketzer ab. Wie Raubwild wurden die Faydits durch ihre Heimatberge gejagt, bis ihnen nur noch der Weg in die Fremde oder, falls sie zu Hause sterben wollten, hinter die festen Mauern der Spulgas übrig blieb.
    Die Konsequenz der Cathari grenzte ans Übermenschliche. Sie sahen, wie die Heimat starb, und griffen nicht zum Schwert. Ihrer wartete der Tod auf Scheiterhaufen oder im murus strictus. Statt den von der Welt geächteten Glauben an den Parakleten abzuschwören, nahmen sie in Seelenruhe das grausige Ende auf sich. Sie müssen der Erfüllung ihres Wunsches nach dem Paradies sicher gewesen sein.
    Mit den Cathari erwarteten die letzten romanischen Ritter, die Frankreichs Oberherrschaft nicht anerkennen wollten, die letzte Stunde. Auch sie, die sich hinter den festen Mauern der Spulgas verschanzt hatten, glaubten wohl kaum noch an Rettung. Und doch kämpften sie bis zum letzten Atemzug. 138
    Am zwölften Oktober des Jahres 1303 starb Papst Bonifatius der Achte. In der Bulle Unam sanctam hatte er die Nachfolger Petri für die Inhaber der obersten geistlichen und weltlichen Gewalt erklärt, denen jede menschliche Kreatur ihres Seelenheils wegen untertänig zu sein habe. In Philipp dem Schönen, Frankreichs König, hatte er sich einen unversöhnlichen Feind gemacht, als er in zwei weiteren Bullen die Besteuerung des französischen Klerus verbot und sich selbst die oberstrichterliche Gewalt über den König zusprach. Philipp hatte durch Konfiskationen und Erpressungen aller Art an dem Klerus seinen Geldverlegenheiten abzuhelfen versucht. Da ihm nunmehr dieser Weg versperrt worden war, kannte sein Haß gegen den Papst keine Grenzen. Nach dessen Tod setzte er alles daran, mit Hilfe des auf sein Geheiß gewählten Papstes Clemens des Fünften und mit Unterstützung der Inquisition den Verstorbenen der Ketzerei zu bezichtigen. Es gelang ihm auch, zahllose Zeugen - durchweg angesehene Kleriker - zu finden, die unter Eid aussagten, der verstorbene Papst habe weder an die Unsterblichkeit der Seele noch an die Menschwerdung Christi geglaubt und habe schändlichen und widernatürlichen Lastern gefrönt. Ein Bruchteil dieser Aussagen hätte genügt, jeden gewöhnlichen Angeklagten dem Feuertod zu übergeben. Aber dieses einzige Mal blieb die Inquisition milde. Sie sprach den Papst frei.
    Papst Clemens der Fünfte war zuvor Bischof von Comminges und Erzbischof von Bordeaux gewesen. Er, der in Lyon auf Betreiben des französischen Königs gewählt worden war, willfahrte dessen Bitte, in Frank-reich zu bleiben. Nie betrat er italienischen Boden. Unter ihm begann die sogenannte »babylonische Gefangenschaft der Päpste« in Avignon, unter ihm wurde der Orden der stolzen Tempelritter 139 * vernichtet, von dessen Gründern einer ein Catharus gewesen sein soll, und der von einem Adligen und einem Bürger

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