Kreuzzug gegen den Gral
wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde. Wo Lenau von der Consolation Peire von Auvergnes Kenntnis genommen hat, habe ich nicht feststellen können.
85 Vgl. Schmidt Bd. II S. 83 ff., 94; Peyrat Bd. I S. 104. »Die Sitte des ketzerischen >Gewandes< ist offenbar zurückzuführen auf das kosti und saddarah der Mazdeer, das heilige Gewand und Hemd, das alle Gläubigen tragen mußten, und dessen Gebrauch bei den Zends und Brah-manen zeigt, daß ihr Ursprung zurückgeht auf die prähistorische Zeit, welche vor der Trennung der arischen Völkerfamilie liegt. Unter den Catharern war der Träger des Gewebes und Gewandes bei den Inquisitoren bekannt als haereticus indutus oder vestitus, der in alle Mysterien der Ketzerei eingeweiht sei.« Lea Bd. I S. 101.
»In einer Interpolation des Presbyterbriefes, die - freilich erst nach dem >Parzival< - der Märe vom Priesterkönig eingefügt und von Oswald dem Schreiber aus dem lateinischen Text inhaltlich genau übersetzt wurde, stehen Geistliche von ganz besonderer Reinheit im Dienste einer Kapelle, die beliebig wächst. Wenn sie dort das Opfer darbringen wollen, entkleiden sie sich:
aller cleider par, so gent sie zu der schwelln, da vindent sie von phelln die aller dewrsten wat, die man ye geseen hat.
Niemand weiß, wer diese Kleider gewirkt hat:
sie sind aller cleider pesten vnd glich der sunnen glesten: nyemant sy mocht angesehen vor irem glast vnd irem prehen.
Das ist keine beliebige Erfindung der Phantasie. In den wenigen mitgeteilten Versen lebt die gnostische Himmelfahrtslegende der Pistis Sophia wieder auf. Die Schwelle der Kapelle ist die Kosmosgrenze. Hier müssen jene Geistlichen ihre Leibeshülle ablegen; hier empfangen sie das >Kleid der Herrlichkeit^ das >Lichtkleid<. In der jüdischen Überlieferung wird Rabbi Perachja an der Himmelspforte sein Gewand ausgezogen. In Paradieses Luft gehüllt kann er des Himmels Herrlichkeit erst schauen. In mandäischer Überlieferung wird erzählt, wie der Rock von >Fleisch und Blut< mit dem >Gewand von Glanz< vertauscht wird. Ähnliche Stellen gibt es viele.
Auf diese alte gnostische Vorstellung, daß alle Auserwählten im Himmel das Kleid der Herrlichkeit empfangen, geht die Erzählung von jenem himmlischen Gewand zurück, von dem ja auch in der Sage vom Paradiese mit seinen Stufentreppen im >Apollonius< die Rede ist. Diese einzig mögliche Deutung läßt keinen Zweifel mehr, daß jene Kapelle nur eine Variante des Paradiesespalastes des Priesterkönigs ist und wie dieser den Gedanken eines sich stets erweiternden himmlischen Reiches der Seelen verkörpert ... Der Tisch schlechthin spendet in Mythus und Sage des Ostens Speise und Trank; er wirkt in der Sage vom Priesterkönig Wunder; er oder die ihm gleichgestellte Truhe wird in der arabischspanischen Überlieferung gefeiert; die sich erweiternde Kapelle ist das Heiligtum. Ich folgere: die Truhe, welche sich zur Kapelle ausdehnen kann, ist schlechthin, insofern sie ein Abbild des göttlichen Weltenthrones und Berghauses der Seligen darstellt, der Gral. Der Gral ist demnach das Reich der paradiesischen Freuden, denen der lichte Held Parzival entgegenstrebt, aber er ist auch der Palast des ewigen Schlafes, nach dem Anfortas sich sehnt. Diese Erklärung stimmt mit der in der späteren deutschen Dichtung üblichen Auffassung des Wortes Gral im Sinne von seliger Lust überein.« Kampers S. 96-97.
Wenn Kampers an einer anderen Stelle (S. 101) noch sagt, daß der »Gral das Reich der weltentrückten seligen Geister und der Stein das Symbol dieses Reiches ist«, so haben wir, mit meinen im Textteil entwickelten und mit diesen Anmerkungen ergänzten Ausführungen, alle Prämissen, um folgenden Schluß ziehen zu dürfen:
Der Gral war die mittelalterliche Minnekirche und ihr Symbol zugleich! Für den Catharismus war die Welt illusorisch, und lebten die Menschen in ihr »ein Leben todesgleich«. Nur wer durch die Tröstung in die Minnekirche aufgenommen, und dessen Seele somit mit ihrem Geist eins geworden war, lebte, denn er hatte »die Sühne gegeben, die man vorm Walde (Briziljan, der die Gralsburg schützt) nennt das Leben«. Im weltlichen Sinne waren die Cathari, die Vollkommenen der Minnekirche, für die Welt gestorben. Sie waren in einem »Reich der Abgeschiedenen«, in dem man bereits die paradiesische Lust der »Vergottung«, wie die Gnostiker die Erlösung nannten, voraus genoß. Der Mensch war einst vom Himmel ins irdische Paradies, und einmal aus diesem vertrieben,
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