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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Rahn
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Lieben riß Durch Treu' in deiner Mutter Herz;
    Dein Vater ließ ihr nichts als Schmerz. 39
    Wolfram von Eschenbach
    Parzival sollte der Gralsritterschaft würdig werden!
    uf einem gruenen achmardi
    truoc si den wünsch von paradis
    beide wurzeln unde ris
    daz was ein dinc, daz hiez der gral
    erden Wunsches ueberwal. 40
    Wolfram von Eschenbach
    ZWEITER TEIL

DER GRAL
    Der Liebe Reich ist aufgetan,
    Die Fabel fängt zu spinnen an.
    Novalis
    Über das romanische Minnereich hielt unsichtbar Amor-Eros seine schützende Hand. Er war nicht mehr der geflügelte Knabe, wie ihn die Antike sich vorstellte. Man sah ihn als erwachsenen Mann. Als der Troubadour Peire Vidal 41 sich einmal von Castelnaudary nach Muret an den Hof Raimons des Fünften von Toulouse begab, will dieser Reimer ihm leibhaftig begegnet sein:
    »Es war im Lenz, wo die Blumen in den Wiesen aufsprießen, die Büsche zu knospen beginnen und die Vögel jubilieren. Da sah ich einen Ritter auf mich zureiten, schön und stark. Blonde Haare fielen ihm in das gebräunte Antlitz, seine hellen Augen glänzten. Seines Mundes Lächeln ließ perlmutterne Zähne sehen. Der eine Schuh des Ritters war mit Saphiren und Smaragden geschmückt, der andere war nackt.
    Des Ritters Mantel war mit Veilchen und Rosen besetzt, und auf dem Haupte trug er einen Kranz von Ringelblumen. Des Ritters Zelter war zur einen Hälfte schwarz wie die Nacht und zur anderen weiß wie Elfenbein. Des Pferdes Brustriemen war aus Jaspis, die Steigbügel waren aus Chalcedon. Am Zaumzeug leuchteten zwei Edelsteine so schön und kostbar, wie sie der Perserkönig Darius nicht einmal besessen hatte. Ein Karfunkel am Zügel glänzte wie die Sonne ...
    Neben dem Kavalier ritt eine Dame, noch tausendmal schöner als er. Ihre Haut war wie Schnee so weiß. Das Rot ihrer Wangen glich der Farbe von Rosenknospen. Ihr Haar schimmerte wie Gold.
    Hinter der Dame ritten ein Paladin und eine Damoiselle. Der Paladin trug einen Bogen aus Elfenbein und drei Pfeile an seinem Gürtel: einen aus Gold, einen aus Stahl und einen aus Blei. Was die Damoiselle anbetrifft, so sah ich nur, daß ihre Haare über Sattel, Schabracke und Kopf des Pferdes fielen.
    Der Ritter und die Dame sangen ein neues Lied, das die Vögel nachsangen.
    >Laßt uns bei einem Brunnen auf einer waldumstandenen Wiese rasten<, sagte die Dame, >denn ich mag die Schlösser nicht<.
    >Gnädige Dame<, antwortete ich ihr, >hier ist ein lauschiger Platz unter einem Lorbeerbaum, und hier sprudelt eine klare Quelle über Kieselsteine^
    >Peire Vidal<, sagt der Ritter zu mir, >wisset, ich bin Amor, diese Dame heißt Gnade, und diese Damoiselle und dieser Paladin werden Scham und Treue genannt.«
    Wolfram von Eschenbach setzt seinem Parzival ein langes Proömium über Treue und Untreue voraus. Er will beweisen, daß Zweifel an Gott das Seelenheil bedrohen, daß aber ritterlicher Geist, »kühnen Mannes Preis«, Rettung gewähren kann. Wer aber der Untreue und haltloser Gesinnung ergeben ist, ist der Hölle verfallen.
    Wenn Zweifel dringt ins Herz hinein,
    So kann die Seele nicht gedeihn.
    Man findet Ehr' und Schmach gepaart,
    Wo sich verzagte Sinnesart Gesellt zu kühnen Mannes Preis Wie bei der Elster schwarz zu weiß.
    Doch solch ein Mann kann freudig hoffen,
    Denn Höll' und Himmel stehn ihm offen,
    Scheidet er aus dieser Welt.
    Wer sich der Untreu' zugesellt,
    Hat schwarze Farben nur gewiß Und fallt auch heim der Finsternis.
    Doch weißer Farbe Glanz gewinnt,
    Wer Gott und Menschen treu gesinnt.
    Den Fraun auch steck' ich hier ein Ziel:
    Von Gott erfleh' ich dem guten Weibe,
    Daß stets in rechtem Maß es bleibe.
    Scham ist die Krone jeder Sitte,
    Mehr Heil ich nicht für sie erbitte.
    Doch sollt' ich hier euch Weib und Mann Vollkommen schildern, wie ich kann,
    Es würd' euch Zeit und Weile lang. 42
    Wolfram von Eschenbach brauchte den Minnesängern seiner Zeit nicht zu erklären, welche Rolle Mann und Frau in der Minnewelt zu erfüllen hatten. Wir wissen, daß die deutsche Minnewelt der Romaniens nachgewachsen war. Dort hatte das mosaische Genesisdogma nie in Ansehen gestanden, nach dem Jahwe zuerst den androgynen Adam schuf, der Evas Vater und Mutter war. Nach dem romanischen Mythus waren Adam und Eva zwei mit Luzifer von Stern zu Stern in das irdische Exil gestürzte Engel. Bereits im Himmel dem Adam gleichberechtigt, ist Eva es auch auf Erden. Sie ist nicht die »Männin« Adams, sondern seine domina, denn die Romanen sahen in der Frau, wie ihre Ahnen: die

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