Kreuzzug gegen den Gral
Iberer und Kelten, etwas Prophetisches und Göttliches. Die jüdische Eva ist dem Manne so sehr unterstellt, daß sie zuerst den Namen ihres Vaters und dann den Namen ihres Mannes trägt, also nicht einmal eines eigenen Namens würdig ist. In der Languedoc, insbesondere in den Pyrenäen, wo die iberische und keltische Tradition sich am reinsten erhalten hatte, trugen die ureingesessenen Familien den Namen ihrer Ahnfrauen. Man sagte: die Söhne der Belissena, der Imperia, der Oliveria. Ihre Attribute waren nicht Spindel und Wiege, sondern Schreibstift und Szepter.
Die Troubadoure waren Dichter. Dichter kranken alle an unerfüllter Sehnsucht. Aber sie wußten, wenn sie in der Minne keine Erfüllung fanden, einen Weg, der zu einer Tischrunde der Sehnsucht führte, auf dem der »Tröster« stand, den Christus durch den Evangelisten Johannes hatte ankündigen lassen ...
Die Troubadoure waren Dichter eines Landes, in dem die Sonne heller leuchtete als bei uns, in dem die Gestirne so erdennahe waren und in dem es sich leicht beten ließ.
Diese betenden Dichter waren keine törichten Reimer mehr. »Reine« waren sie fortan: »Cathari«!
Die Cathari übertrugen, wie wir später im einzelnen sehen werden, die leys d'amors auf geistiges Gebiet. Statt Frauengunst suchten sie Erlösung in Gott. Statt Minne suchten sie den Tröster.
Dichten und Beten sollten eins sein. In Romanien war das der Fall, denn die Romanen wußten noch, daß Dichter- und Prophetengabe, die wir heute Intuition und Inspiration nennen, identisch sind. Das Gebet der Cathari, der betenden Troubadoure, war nur ein Teil des Hymnus auf die lichte Gottheit, den sie in der Symphonie von Farben und Tönen ihrer Heimat tagtäglich vernahmen. Sie waren ja Dichter. Da sie, wie alle Poeten, sich im Diesseits fremd fühlten, erstrebten sie das bessere Jenseits, wo ihrer Mythologie nach der Mensch einst ein Engel war, und wo seine wahre Heimat ist: das »Haus der Lieder«, wie in Urzeiten die Babylonier das Lichtreich Ahuramazdas nannten. Die Cathari waren des besseren Jenseits so sicher, daß sie dieses Leben bis zum Letzten konsequent ablehnten und es nur als eine Vorbereitungszeit für das wahre Leben ansahen, das sie jenseits der Sterne wußten.
Dichter und Priester haben von je die Berge geliebt, deren Gipfel sich gen Himmel recken, und deren Höhlen sich in ewiger Erdennacht verlieren. Auf den Bergen ist man der Gottheit am nächsten. Dort oben dichtet und betet es sich von selbst. Alle großen Mythen ließen auf Bergen die Vergottung des Helden sich vollziehen. Auf dem Berg Oeta wurde Herakles Olympier. Auf dem Berg Tabor verklärte sich Christus. Das wußten die Troubadoure wohl. Denn zu ihrer Zeit war die Brücke noch nicht eingestürzt, die von Morgen gen Abend übers Mittelmeer führte, deren erster Bogen von Asiens Bergriesen zu Griechenlands heiligem Parnaß und deren zweiter von dort zu den Pyrenäen sich spannte, zu den Pyrenäen, wo Hellas den Hesperidengarten wußte: das Lichtland der Seelen.
Von Morgen kam die Menschheit. Von Morgen kamen uns die großen Mythen, von denen die letzte eine »frohe Botschaft« war. Von Morgen kommt die Sonne ...
Wenn die Sonne durch ein goldenes Wolkentor von den Menschen weggeht, dann erwacht in manchen die Sehnsucht, ihr nachzuziehen. Wohin nur? Der Mensch soll ein gefallener Gott sein, der sich nach dem Himmel zurücksehnt. Vielleicht ist des Dichters Sehnsucht wirklich nur Heimweh nach dem verlorenen Paradies, wo der Mensch der Gottheit Bild, nicht Zerrbild war!
Wenn die Sonne von Provence und Languedoc weggeht, dann wölbt sich das goldene Wolkentor über den Pyrenäen. Kühn und edel ragen sie in den Azur. Liegt die provengalische Ebene schon in Nacht, so werden sie noch lange von den Strahlen der scheidenden Sonne gesegnet und verklärt. Den »Berg der Verklärung«, den »Tabor« nennen heute noch die Provengalen den Pic du Saint-Barthelemy, der Pyrenäengipfel schönsten. Der pyrenäische Tabor liegt zwischen dem »Olmes«, dem Tal der Ulmen und dem »Sabarthes«, dem Tal von Sabart, wo die Gottesmutter Karl dem Großen den Sieg über die Sarazenen versprochen haben soll.
Ein einsamer steiniger Weg führt von dem idyllischen Olmes hinüber zu den Schluchten und Höhlen des Sabarthes: die Straße der Cathari, die Straße der Reinen. 43
Inmitten der Einöde des Tabor erhebt sich ein unbeschreiblich wilder Felsen, so hoch, daß sein Gipfel bisweilen in das goldene Wolkentor ragt. Senkrecht recken sich seine
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