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Kreuzzug gegen den Gral

Kreuzzug gegen den Gral

Titel: Kreuzzug gegen den Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Rahn
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solche Treue auf, prägt sie historisches Geschehen so klar aus, daß sie die Vermittlung eines Zwischenträgers ausschließt. Es gibt kaum eine andere Erklärung als die eine: »Kyot« und Wolfram haben sich getroffen. Der deutsche Sänger hat den Stoff vom Urheber selbst übernommen.
    Möglich, daß Wolfram und Guiot auf dem von Friedrich Barbarossa veranstalteten Ritterfest zu Mainz miteinander in Berührung kamen, oder daß sie sich auf der Wartburg, am Hofe des Landgrafen Hermann von Thüringen, kennen lernten. Die Wartburg war bekanntlich der von Minnedichtern am meisten besuchte Hof Deutschlands, und hier hielt sich Wolfram von Eschenbach um das Jahr 1203 auf.
    Überraschend rege Beziehungen bestanden zwischen den Minnesängern Deutschlands, Frankreichs und Romaniens. Bertrande Born zum Beispiel, der unter dem Namen »Sembelis« die Prinzessin Laina von Plantagenet, die Schwester von Richard Löwenherz, besang, stand mit seiner domina, auch als sie Herzogin von Sachsen geworden war, in Verbindung, wenn man die in Deutschland gefundenen, in provengalischer Sprache an Laina gerichteten Dichtungen Bertran de Borns als hinreichenden Beweis dafür anerkennt. Es wurde sogar angenommen, daß Friedrich Barbarossa, der seit 1178 Herr des Arelatischen Reichs war, selbst provengalische Gedichte verfaßt habe, die den Hof des Barons von Castellane, einer an dem Verdonfluß in der Provence liegenden Stadt, rühmten. Wie dem auch sein mag, so kann dies doch erhellen, wie viele Fäden Minne- und Ritterdichtung von Nord und Süd miteinander verbanden und in welchem Maße sie sich gegenseitig befruchteten.
    Ist aber die »rechte Mär« durch Guiot selbst oder durch das Vorlesen eines Guiotischen Parzival-Manuskriptes an Wolfram gelangt, so ist dessen Verwechslung von »Provins« und »Provence« verständlich und verzeihlich. 37
    Nun bestand neben der ausgesprochenen Minnedichtung eine Art »Gelegenheitsdichtung«. Es war gang und gäbe, daß Troubadoure von ihren Gönnern Gedichte zur Verherrlichung ihres Hauses in Auftrag erhielten, oder daß sie ihren Dank für Gastfreundschaft und Unterstützung auf poetische Weise abstatteten. Es wäre somit möglich, daß Guiot von Provins seine Gönner Raimon von Toulouse, dessen Tochter Adelaide von Carcassonne, deren Nichte Esclarmonde von Foix und den König Alfons von Aragon, einen Vetter Roger-Taillefers (Adelaidens Gatte), in seiner uns verloren gegangenen Parzivaldichtung besungen hat.
    Und dies war tatsächlich der Fall!
    König Alfons der Zweite von Aragonien wurde auch Alfons der Keusche
    genannt, auf französisch: Alfonse le »Chaste«. In ihm haben wir Wolframs »Kastis« zu sehen, den Verlobten Herzeloydens. 38 In Wolframs Herzeloyde, der Mutter Parzivals, hat Wolframs Gewährsmann Guiot von Provins die Vicomtesse Adelaide von Carcassonne, die domina Alfons des Keuschen verherrlicht.
    Adelaidens Sohn war ein »Trencavel«, das heißt auf deutsch: ein »Schneidgut«. Wolfram von Eschenbach übersetzt den Namen Parzival mit »Schneid mitten durch«. Ramon-Roger, der Trencavel, war das Vorbild für den Wolfram-Guiotschen Parzival!
    Das ergibt sich ohne Zwang aus dem Folgenden.
    Der »Minnehof« der Vicomtesse von Carcassonne war in ganz Roma-nien berühmt. Sie selbst war wohl die gefeiertste Dame von Barcelona bis Florenz und Paris. Ihr Hof war ein Sammelplatz für Heroismus, Poesie und ritterliche Höfischkeit und zugleich »der keuscheste und graziöseste, denn Adelaide hielt das Szepter«, sagte der Troubadour Arnold von Marveil.
    Dieser trobere, ein armer Kleriker aus dem Perigueux, hatte eines Tages seine Mönchskutte an den Nagel gehängt und zog fortan von Burg zu Burg, seine hinter Klostermauern erdachten Lieder vorzusingen. So kam er auch an den Hof von Carcassonne und sah Adelaide. Von da an gehörte des Reimers Herz nur noch ihr. Aber die hohe Stellung der Infantin von Toulouse, einer Enkelin der Könige von Frankreich, schüchterte den schlichten Harfner ein.
    »Wohl nur Königen geziemt die Ehre, nach Adelaidens Minne zu trachten. Aber macht Minne nicht alle Menschen gleich? Wer minnt, ist würdig. Standesunterschiede gelten nicht vor Gott. Gott richtet nur nach dem Herzen und will nur Empfindungen. Oh, schöne, reine Frau, vollkommenes Ebenbild der Gottheit, weshalb handelt Ihr nicht wie diese?« Arnold von Marveil hatte allen Grund zum Minnekummer, denn Alfons der Keusche, Aragoniens und Kataloniens König, warb um Adelaide. Aber er begehrte nicht der Minne.

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