Kreuzzug gegen den Gral
einem von Friedrich Barbarossa veranstalteten Ritterfest in Mainz. Als alter Mann, zu Beginn des dreizehnten Jahrhunderts, verfaßte er seine »Bibel«, eine Satire auf die verschiedenen Stände seiner Zeit. In dieser Dichtung nennt uns Guiot seine Gönner:
Kaiser Friedrich Barbarossa, l'empereres Ferris
Ludwig der Siebente, König von Frankreich, li rois Loeis de France
Heinrich der Zweite, König von England, li riches rois Henris
Richard Löwenherz, li rois Richarz
Heinrich, der »junge König« von England, li jones rois.
Alfons der Zweite von Aragonien, li rois d'Arragon.
Raimon der Fünfte, Graf von Toulouse, li cuens Remons de Tolouse
Guiot von Provins folgte dem Zug der Troubadoure nach Toulouse und konnte auf zwei Straßen von diesem Mittelpunkt höfischer Poesie an den Sitz seines Gönners Alfons von Aragonien gelangen. Er konnte einmal von Toulouse aus a^geaufwärts über Foix, dem Schloß des Infanten Ramon Drut, durch das Sabarthès über den Paß von Puymorens die aragonische Grenze erreichen. Er konnte aber auch, und das war der bequemere Weg, über Carcassonne und Perpignan, im Roussillon, an der Küste entlang nach Barcelona oder Saragossa ziehen. Vielleicht hat er auf der Hinsreise den einen und auf der Rückreise den anderen Weg gewählt. Sowohl in Carcassonne als auch in Foix fühlten sich die Troubadoure zu Hause.
In Foix konnte er neben Ramon Drut dessen Schwester Esclarmonde sehen und ihre Schönheit besingen.
In Carcassonne regierte Esclarmondes Tante, Adelaide, Tochter Raimons des Fünften von Toulouse und der Konstanze von Frankreich. Seit dem Tode ihres Gatten Roger-Taillefer (1193) waren die Besitzungen der Trencavel ihrem milden Szepter untertan.
*
Kyot der werte Sänger hieß,
Den seine Kunst nicht rasten ließ,
Er mußte singen und sagen so,
Daß des die Menschen wurden froh.
Herr Kyot ist ein Provenzal,
Er fand die Mär von Parzival,
Erzählt in einem Heidenbuch.
Wie er's französisch übertrug,
Werd ich in deutscher Sprache singen,
Wenn meiner Kunst es will gelingen.
Wolfram von Eschenbach
Wolfram von Eschenbach nennt uns als Gewährsmann für seinen Parzival Kyot 35 , einen Provenzalen und läßt uns wissen, Christian von Troyes (der Verfasser des um 1180 geschriebenen Perceval le gallois) habe »der Märe Unrecht getan«.
Es ist »in Übereinstimmung mit Wolframs eigenen Worten, Guiot als Überarbeiter und Ergänzer des Christianschen Perceval und als alleinige Vorlage Wolframs angenommen worden.« Es wurde weiterhin nachgewiesen, Wolfram habe wirklich, wie er angibt, eine Dichtung des Pro-vengalen Kyot benutzt und diese Folgerung werde »unwiderleglich durch die Tatsache erhärtet, daß nur Wolfram das ganze einheitliche Sagengut kennt und abwandelt«.
Das genaue Geburts- und das Todesjahr Wolframs sind uns unbekannt. Da der Parzival im ersten Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts entstanden ist, wird vermutet, daß Wolframs Geburt in das dritte Viertel des zwölften Jahrhunderts fällt. Was den Zeitpunkt seines Todes betrifft, so berichtet uns schon Püterich von Reichertshausen (1400-1469), Verfasser einer Ritterdichtung, des sogenannten »Ehrenbriefs«, daß er des Dichters Todesjahr auf dessen Grabstein »in unserer Frauen Münster in dem Markte Eschenbach« nicht mehr feststellen konnte (»uns die zeit seines Sterbens gar abtreuget«).
Wolfram war arm und zog als fahrender Ritter und Sänger »von Hof zu Hof«. Er konnte weder lesen noch schreiben:
Unkundig ist mir ganz das Lesen,
(ich enkan deheinen buochstap).
swaz in den buochen stet geschriben, des bin ich künstelos gebliben. 36
Er mußte sich also den »Parzival« des Guiot von Provins vorlesen lassen, falls diese Dichtung überhaupt schriftlich niedergelegt war. Wolfram hatte sich im Verkehr mit westlichen Minnedichtern die Kenntnis der französischen Sprache angeeignet. Er scheint darauf stolz gewesen zu sein, denn er versäumt in seinem Parzival keine Gelegenheit, sich mit seiner französischen Sprachkenntnis ein wenig zu brüsten. Und doch war er vor Mißverständnissen und Irrtümern nicht sicher. Gar oft hat er Namen und Ortsbezeichnungen, deren ursprüngliche Fassung uns durch die französischen Gral- und Parzivalepen bekannt ist, entstellt oder sogar falsch wiedergegeben. Das Vorkommen solcher Hörfehler darf uns nicht verwundern, wenn wir annehmen, daß Wolfram auf die mündliche Weitergabe des figurenreichen Stoffes angewiesen war. Doch weist seine Fassung in einzelnen Zügen eine
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