Kreuzzug gegen den Gral
schönsten Raum hergeben müssen, damit sie die Schönheit vorausahnen konnten, die der wahre Bildner jenseits der Sterne geschaffen hat. Und um die Sonne, die silberne Mondscheibe und die Sterne, die einzigen »Offenbarungen« des Gottes, der Liebe und Licht ist, nicht zu vergessen, hat eine Ketzerhand sie auf die marmorne Höhlenwand gezeichnet. Und das Wasser tropft unaufhörlich und regelmäßig von der sich in ewiger Nacht verlierenden Höhlendecke zu Boden. Hier formt es heute noch tropfsteinerne Kirchenbänke für alle, die in dieser Feenwelt rasten wollen.
Wenn draußen im Ariegetal ein Gewitter niedergeht, dann dröhnt der ganze Berg von den Wasser stürzen, die sich donnernd einen Weg durch den porösen Kalkberg erzwingen. Wenn draußen der Gott des Gewitters und des Todes, Luzifer, seinen blitzenden Hammer auf die zitternde Welt niedersausen läßt, dann bebt der Berg in seinen Festen. Von der Ketzerkathedrale führt eine steinerne Treppe in den zweiten Teil der Höhle von Lombrives, bis der menschliche Fuß nach stundenlangem Wandern vor einer hunderte von Metern tiefen Schlucht zurückschreckt.
Dort liegt ein riesiger Felsblock, auf den das tropfende Wasser einen Stalagmiten in Form einer Keule gezaubert hat, und den die Bauern von Ornolac das »Grabdenkmal des Herakles« nennen.
DAS GOLDENE VLIES 50
Eraklius oder Erkules,
Dazu der Grieche Alexander, Denn sie kennen miteinander Die Steine ...
Wolfram von Eschenbach
Silius Italicus, ein römischer Dichter-Historiker des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, hat uns in wohlgesetzten Hexametern die Legende übermittelt, die den riesigen, von einer Tropfsteinkeule geschmückten Felsblock in der Höhle von Lombrives den Grabstein des Herakles sein läßt:
Nachdem Herakles auf der Insel Erytheia die Rinder des Geryon geraubt hatte, wurde er in dem »wilden Haus« des Bebryx, des Königs der Be-bryker, gastlich aufgenommen. Er verführte dessen Tochter Pyrene. Dann verließ er sie. Aus Furcht vor dem Zorn ihres Vaters und aus Sehnsucht nach ihrem Geliebten zog Pyrene in die Welt. Aber die wilden Tiere fielen über die Schutzlose her. Laut rief Pyrene den Herakles
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um Hilfe an. Zu spät eilte er herbei, er fand sie tot. Von seinem Jammer dröhnten die Berge, und alle Felsen und Höhlen hallten wieder von Py-renes Namen, den er laut klagend hinausrief. Dann begrub er sie.
Pyrenes Name wird nie untergehen, denn für alle Zeiten tragen die Berge ihren Namen.
Drei prachtvolle Stalagmitengruppen an einem geheimnisvollen See inmitten der Höhle von Lombrives heißen: Thron des Königs Bebryx, Bebryx' Grab und Grab der Pyrene. Unablässig rinnt das Wasser auf Pyrenens Grab herunter, als beweine der Berg die unglückliche Königstochter. Und daneben hängen von Wand und Decke, versteinert, die Gewänder, die sie in ihrem Leben am liebsten trug.
Soweit die Legende von Herakles, Bebryx und Pyrene.
Lateinische Autoren (unter ihnen Plinius) berichten uns, daß die ersten Bewohner Spaniens die Perser und die Iberer gewesen sind, und daß die spanischen Iberer von denen am Kaukasus abstammten. Der griechische Geschichtsschreiber Dion Cassius schrieb, die Bewohner der Ostpyrenäen seien die Bebryker gewesen, und der griechische Grammatiker Stephanos von Byzanz unterschied zwei Bebrykervölker, von denen das eine am Schwarzen Meer und das andere in den Pyrenäen in der Nähe des »Bebrykischen Meeres« wohnte, wie nach dem byzantinischen Schriftsteller Zonaras der Löwengolf früher geheißen haben soll. Dausqueius, der Kommentator des Silius Italicus, behauptet das Wort »Bebryx« sei nur ein Adjektiv gewesen, und der Bebrykerkönig habe Amykos geheißen, sei somit der Bebrykerkönig gewesen, der jeden in sein Land kommenden Fremden zum Faustkampf gezwungen und getötet hatte, bis ihn Pollux, der Argonaute erschlug. Die gleiche Ansicht vertritt der römische Geschichtsschreiber Festus Avienus.
Fassen wir diese Quellen zusammen und ergänzen wir sie. Im dritten Jahrtausend hatten die mit den Phönikern, Persern, Medern, Getulern -heute die Berber in Nordafrika -, Armeniern und Chaldäern vom Kaukasus gen Westen gewanderten Iberer auf der »iberischen« Halbinsel eine neue Heimat gefunden. Zu ihnen gehörten die Bebryker, die den unter der Römerherrschaft zur »Gallia Narbonensis« gehörenden Teil der Pyrenäen, im Bereiche des Pic du Montcalm und des Pic du Saint-Barthelemy, bewohnten. Nun wissen wir dank Strabo, einem griechi-chen Geographen, daß sich
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