Kreuzzug gegen den Gral
hinaufzusteigen nach Montsegur. Wolfram von Eschenbach kann uns den Weg weisen.
Vor seiner Fahrt nach der Gralsburg Munsalväsche besucht Parzival in der Höhle bei der Fontane la Salvasche den frommen Einsiedler Trevri-zent.
Trevrizent war Ketzer, denn nie aß er »von blutgen Speisen, Fleisch und Fisch«. Jeder Christ, der im zwölften und dreizehnten Jahrhundert des Fleischgenusses sich enthielt, war des catharischen Irrglaubens verdächtig. 89 Oft ist es vorgekommen, daß päpstliche Legaten, mit der Ausrottung von Ketzerei und Ketzern beauftragt, des Catharismus Ver-dächtge vor die Wahl stellten, Fleisch zu essen oder den Feuertod zu erleiden.
Des Teufels Macht er widerstritt,
Indem er fastend Kummer litt.
Gott hatt' ihm solchen Sinn gegeben,
Daß er nur vorbereitend lebte
Der Zeit, wo er im Himmel schwebte. 90
Wolfram von Eschenbach
Ist nicht Trevrizent Catharus, wenn er fastend die dem Fleisch innewohnende Macht des Teufels überwinden will, und wenn er das Leben als Vorbereitungszeit auf die Rückkehr zum Himmel ansieht, in dem seine Seele bereits einmal war?
Wenn jemand »fastend Kummer leidet«, so ist anzunehmen, daß er aussieht wie eben ein solcher Asket: hager und bleich. Vom vierten Jahrhundert bis zum Ende des zwölften galt der römischen Kirche bleiche Farbe als ein Kennzeichen für Ketzerei. Selbst Orthodoxe, die bleich von Fasten und Kasteiung waren, wurden als Ketzer zur Verantwortung gezogen, und viele gute Katholiken wurden getötet in dem irrigen Glauben, bleichwangige Christen müßten Ketzer sein.
Der Einsiedler Trevrizent bewohnte eine Klause neben der Fontane la Salvasche und führte den jungen Parzival in eine zweite Höhle, in der enthüllt der »Altar« stand. Eine der Kathedrale von Lombrives gegenüberliegende Höhle heißt die Höhle des Eremiten und eine zweite, nicht weit davon, die Höhle von Fontanet, in deren entlegenstem Saal ein schneeweißer Tropfstein steht: der Altar.
Kaum dreißig Jahre sind es her, daß vier junge Menschen in diese Höhle eindrangen und nie wieder gesehen wurden. Ihre Gebeine mögen in einer der phönikischen oder phokäischen Grabkammern letzte Ruhe gefunden haben. Oder sollten diese vier den Weg gefunden haben, der hinaufführt auf die Höhen des Tabor und nach Montsegur? Hat einer von ihnen in großen Lettern auf die Wand am Höhleneingang die Frage geschrieben »Why did I not...?«
In den Sabarthes-Höhlen drängt sich manche Frage auf, für die es keine Antwort gibt. Wenn meine Lampe den Altar aus dem Dunkel der Höhle von Fontanet heraufzauberte, habe ich mich oft gefragt, welcher Art wohl der »Schrein« auf dem Altar von Trevrizents Klause gewesen sein mag, vor dem Parzival geheime Kunde von dem Gral empfing.
Dort stand auch nach des Tages Sitte
Enthüllt der Altar; in der Mitte
Stand jener Schrein. 91
Wolfram von Eschenbach
Gehörte er vielleicht zu dem »Salomonschatz«, den der Westgotenkönig Alarich im Jahre 410 von Rom nach Carcassonne verschleppte und der, nach Prokop, aus Geräten des Hebräerkönigs Salomon bestand, die die Römer einst aus Jerusalem mitgebracht hatten? Den größten Teil dieses Schatzes schaffte später Theodorich nach Ravenna, und von hier aus brachte ihn Belisar, der berühmte Feldherr des Griechenkaisers Justinian, nach Byzanz. Ein Teil aber war in Carcassonne zurückgeblieben und hierunter soll sich, nach zahlreichen arabischen Erzählungen, der »Tisch Salomons« befunden haben.
Ob wohl Salomon, der große Hebräerkönig, dessen legendäres Grab zwischen Altai und Hindukusch steht, um den Gral wußte?
Ein Heid' (er hieß Flegetanis),
Den man um reiches Wissen pries,
Aus Salomons Geschlecht erkoren,
Vom Stamme Israel geboren,
Der beut vom Gral die erste Spur.
Wolfram von Eschenbach
In der siebentägigen Schlacht bei Jerez de la Frontera (711) wurden die Westgoten von den Arabern vernichtend geschlagen. Der Salomonschatz fiel zu Toledo in die Hände der Ungläubigen. Der Tisch Salomons soll nicht darunter gewesen sein.
Im Staube zu Toledo fand Kyot, der Meister wohlbekannt,
Die Sag' in krauser Heidenschrift,
Die hier der Mären Urquell trifft.
Wolfram von Eschenbach
»Schrein« und »Märe vom Gral«, beide anscheinend untrennbar voneinander, bewahrte Trevrizent in seiner Höhle. Sollten Schrein und der »Märe Urquell« sich in jenem Schatz befunden haben und vor den Ungläubigen in Sicherheit gebracht worden sein?
Nach spanischen Romanzen wurde der »Tisch Salomons«, einen
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