Kreuzzug gegen den Gral
die Türme um. Und während der Nacht versuchen Tolldreiste die Belagerungsmaschinen in Brand zu stecken. Aber zwei deutsche Grafen können mit ihren Soldaten das Vorhaben vereiteln. Montfort und die Legaten beginnen mutlos zu werden. Was sie auch immer in den Graben werfen, wird nachts wieder weggeschafft. Endlich macht ein schlauer Kreuzfahrer den Vorschlag, man solle doch den unterirdischen Gang mit Holz und feuchtem Laub verstopfen, Feuer daranlegen und so ihn ausräuchern. Der Rat wird befolgt. Die Türme können wieder vorwärts rollen. Aber Steine hageln auf die Angreifer, und Töpfe mit brennendem Teer, kochendem Öl und geschmolzenem Blei werden von den Zinnen der Stadtmauer herunter auf sie gegossen.
Da geschieht ein neues Wunder: die Legaten, die Bischöfe von Carcassonne, Toulouse und Paris stimmen die Kreuzzugshymne an: Veni creator spiritus. Alsbald stürzt eine Mauer unter der Wucht eines Ballisten ein. Die vom Gesang der Pilger gelähmten Verteidiger von Lavaur lassen den Feind ohne weitere Gegenwehr eindringen und sich freiwillig fesseln.
Lavaur wird der Prophezeiung des Chronisten gemäß am Tag der Kreuzauffindung, also am 3. Mai des Jahres 1211 eingenommen. Zwei Monate lang hat die Stadt fünfzehntausend Kreuzfahrern widerstanden. Simon von Montfort, französische und deutsche Adlige, Bischöfe, Äbte, Mönche, Bürger, Bauern, Landsknechte, Zigeuner: Christi Armee zieht in die eroberte Stadt ein. Man läßt die Einwohner, ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses, Alters und Geschlechts über die Klinge springen.
Ein Kreuzritter hat erfahren, daß eine Menge Frauen und Kinder sich in einem Keller verborgen halten und bittet Simon von Montfort um Gnade für die Ärmsten. Die wird ihm gewährt. Dieser Ritter, dessen Namen keiner der beiden Chronisten, weder der geschichtsschreibende Mönch Vaux-Cernay, noch der geschichtsschreibende Troubadour Wilhelm von Tudela zu übermitteln für wichtig hielt, tut das einzige Wunder im Verlauf des an »Wundern« überreichen Albigenserkreuzzuges. Dieser unbekannte Ritter ist der einzige »brave Mann« des Kreuzzuges gegen den Gral.
Améric von Montréal, der Schloßherrin Bruder, wird mit achtzig Rittern,
Edelleuten und Troubadouren zum Richtplatz geführt. Die Galgen sind bereits aufgerichtet. Americ wird als erster gehängt. Und der Riesengalgen, der die Last von achtzig Rittern aushalten sollte, bricht unter diesem einzigen Gehenkten zusammen. Die Zimmerleute haben schlecht gearbeitet. Montfort hat keine Zeit zu warten, er läßt die Ritter abstechen.
Neben den Führern des Kreuzzuges steht eine gefesselte Frau: Donna Geralda, die Kastellanin von Lavaur.
Estiers dama Girauda qu'an en .I. potz gitat.
De peiras la cubriron, don fo dols e pecatz,
Que ja nulhs hom del segle, so sapchatz de vertatz,
No partira de leis entro agues manjat.
Wilhelm von Tudela
Donna Geralda von Lavaur wird in einen Brunnen geworfen und solange mit Steinen bedeckt, bis man ihr Wimmern nicht mehr hört. Sie stirbt zweimal, denn sie trägt ein Kind unter dem Herzen.
Dann wird ein Freudenfeuer angezündet. Man hat vierhundert Cathari ergreifen können. Alle, die nicht das Ave Maria hersagen können, verbrennt man »mit größter Freude«.
Aber die Freude der Märtyrer, endlich dieser Hölle zu entkommen, war größer als die ihrer Schergen. Sie gaben sich gegenseitig den Friedenskuß und stürzten sich mit dem Ruf: »Gott ist Liebe!« in die Flammen. Die Mütter verhüllten ihren Kindern die Augen, bis das Feuer sie ihnen auf ewig schloß, ihnen auf ewig das Paradies enthüllend.
Wie ein klagender Finger reckt sich im Westen noch unbesudelt Mont-segurs herrlicher kühner Fels über den Dunst von Blut und Scheiterhaufen und schwelenden Städten empor gen Himmel. Ein anklagender Finger und zugleich ein Wegweiser dahin, wo nur Licht und Liebe und Gerechtigkeit sein soll.
»Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Ich aber sage euch: Man wird euch töten und glauben ein gottgefälliges Werk zu tun. Seid getreu bis in den Tod, so will ich euch die Krone des ewigen Lebens geben. Diaus vos benesiga ...« tröstet Guillabert von Castres die ge-ängstigten Cathari in der »heiligen Burg« über den Schluchten des Tabor.
Nach Lavaurs Fall hetzt der Kreuzzug neuen Greueln entgegen. Als er an dem Wald vorbeijagt, in dem kurz zuvor sechstausend deutsche Pilger aufgerieben wurden, glaubt Foulques, der Bischof von Toulouse, der frühere Troubadour, den Dante in das
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