Kreuzzug gegen den Gral
Seelenheils nötigen vierzig Tage »abgedient«. Vergeblich versuchen die Kirchenfürsten die Ritter zu überzeugen, daß die Gottessache noch ihre Anwesenheit verlange. Auch die Ribautz und Truands ziehen ab. Die eroberte Beute genügt ihnen, und sie wollen wieder nach Hause.
So bleibt Montfort zwar mit allen Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten, Priestern und Mönchen, jedoch mit nur dreißig Rittern und etwa viertausendfünfhundert Pilgern zurück, meist Burgundern und Deutschen, denen er für ihre Dienste doppelten Sold zahlen muß. Montforts Lage ist äußerst gefährlich. Wohl haben die Legaten, als er auf der Höhe des Erfolges stand, zu Avignon ein Konzil abgehalten, auf dem sie alle Ritter, Adligen und Stadtbeamten der eroberten Gebiete schwören ließen, zur Ausrottung der Ketzerei ihr möglichstes zu tun. Aber das hatte nur wenig zu bedeuten, denn diese Eide blieben nur eine leere Form, und die mit Gewalt erzwungene Huldigung von Simons neuen Vasallen war alles andere als aufrichtig.
Langsam erholt sich das Land von den Schrecken. Ein lästiger Kleinkrieg entsteht, der Montforts Lage immer gefährdeter erscheinen läßt. Mitunter reicht seine Herrschaft nicht weiter als die Spitze seiner Lanze. Einmal sogar kann er nur mit Mühe in Carcassonne seine Besatzung von der Flucht abhalten. Als er zur Belagerung von Termes schreiten will, ist es ihm fast unmöglich, einen Ritter zu finden, der bereit ist, das Kommando in Carcassonne zu übernehmen.
Trotz dieser Schwierigkeiten gelingt es ihm doch, einige Festungen zu erobern und auch in der Grafschaft Foix vorübergehend Fuß zu fassen. Im Frühjahr 1210 verbessert sich seine Lage dadurch, daß neue Pilgerscharen zu seinem Kreuzzug stoßen.
Gegen Ende des Jahres 1209 besucht Raimon VI. den Papst und beklagt sich über Simon von Montforts 120 unchristliches Vorgehen. Er hofft jetzt auf größere Nachsicht des Papstes zählen zu dürfen, seit der König von Frankreich und dessen mächtigste Vasallen aus ihrer Empörung über die Grausamkeit Simons und das schändliche, jeder Loyalität spottende Verhalten der Legaten keinen Hehl gemacht hatten. Raimon versucht dem Papst zu beweisen, mit welcher Ungerechtigkeit die Legaten ihn und seine Untertanen bis dahin verfolgt haben. Er versichert, alle ihm vom Legaten Milo in Saint-Gilles auferlegten Bedingungen erfüllt zu haben und bittet Innocenz, ihn von der immer noch gegen ihn schwebenden Anklage des Mordes an Peter von Castelnau nun endlich loszusprechen. Der heilige Vater empfängt ihn überaus herzlich, macht ihm kostbare Geschenke, zeigt ihm berühmte Reliquien und erlaubt ihm, diese anzufassen. Er nennt ihn seinen »lieben Sohn« und erteilt seinen Legaten den strikten Auftrag, in spätestens drei Monaten ein Konzil zusammen-zuberufen, um dem Grafen von Toulouse die Möglichkeit zur Rechtfertigung zu geben.
Hätte Innocenz nicht besser daran getan, Raimons Rechtfertigung sofort auf der Stelle anzuhören? Aber daran lag dem Papst nichts, hatte er doch keineswegs die Absicht, von der Linie abzugehen, die er seinen Legaten und sich selbst vorgezeichnet hatte und die auf Raimons völlige Vernichtung hinzielte. Voller Argwohn beeilt sich der Graf, die »ewige Stadt« zu verlassen, »aus Furcht dort krank zu werden«.
Anstatt das von dem Papst geforderte Konzil vorzubereiten, halten die päpstlichen Legaten große Ansprachen an die Toulouser Bevölkerung in der Hoffnung, sie gegen ihren Herrn aufwiegeln zu können. Eine »zur Bekehrung der Ketzer« eingesetzte geistliche Brüderschaft schlägt sich tagtäglich in den Straßen von Toulouse mit den grafentreuen Bürgern herum.
Dann »öffnet ihnen Gott einen Weg, und zeigt ihnen ein Mittel, des Grafen Rechtfertigung zu vereiteln«, sagt Peter von Vaux-Cernay, der geschichtsschreibende Mönch, Simon von Montforts Hofbiograph. Dieses den Legaten von Gott eingegebene »Mittel« besteht darin, daß sie von Raimon nochmals verlangen, endlich alle Ketzer aus seinem Land zu vertreiben. Des guten Mönches bewundernder Ausruf über den frommen, so verschmitzt angelegten und so geschickt ausgeführten Betrug: »O frommer Betrug des Legaten! O betrügerische Frömmigkeit!« liefert uns den Schlüssel zu den Geheimnissen der römischen Diplomatie in ihrem Verfahren gegen die Albigenser.
Auch Simon von Montfort trägt nun seinen Teil zur Demütigung Raimons VI. bei. Mordend und brennend zieht er mit seinen Pilgern durch die Grafschaft Toulouse. Als er Minerve 121 belagert,
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