Kreuzzug gegen den Gral
französischen Herrschaft zu zwingen. Der mußte auch im folgenden Jahre wohl oder übel einen demütigenden Frieden schließen. Somit war die Oberherrschaft der französischen Krone in ganz Südfrankreich sichergestellt. Der Louvre hatte gesiegt!
Rom jedoch glaubte die Zeit noch nicht gekommen, die Waffen niederlegen zu sollen.
Ai! Tolosa e Provensa!
E la terra d'Agensa!
Bezers e Carcassey!
Quo vos vi! Quo vos vey!
Bernard Sicard de Marjevols 128
Im Wald ist eine Höhle, tief und still,
Wohin kein Strahl gelangt, kein Windhauch streicht,
Wohin das matte greise Wild sich schleicht,
Wenn es im Dunkeln heimlich sterben will.
Es wäre mehr vielleicht als von den Sternen Vom Tier in seiner Todesangst zu lernen.
Lenau: Die Albigenser
VIERTER TEIL
DIE APOTHEOSE DES GRALS 129
Rom hatte Rechtgläubigkeit und Wunder für sich in Anspruch genommen. Deshalb siegte auch der Kreuzzug gegen die Albigenser - wie alle Chronisten einstimmig bekunden - dank der Wunder, die der »Gott des Donners« für seine Streiter wirkte.
In einer Nacht des Jahres 1170 hatte Johanna von Aza, spanische Adlige, einen wunderlichen Traum: ihr war, als trage sie unter ihrem Herzen einen Hund, der, als sie ihn zur Welt brachte, in seinem Maul eine lodernde Fackel hielt, mit der er die Welt in Brand setzte. Als Johanna eines gesunden Knaben genesen war, und als dieser von dem Priester auf den Namen Domingo getauft wurde, hatte seine Patin eine wunderbare Vision: sie sah auf der Stirn des Täuflings Domingo einen »reisenden Stern, der mit seinem Glanz die ganze Erde erhellte.
Wir haben den heiligen Dominik im Jahre 1206 zu Montpellier gesehen, wo er die entmutigten päpstlichen Legaten aufgemuntert und sie verhindert hatte, von der begonnenen Ketzerbekehrung Abstand zu nehmen. Dann bemerkten wir ihn auf dem Konzil von Pamiers neben dem erbosten Mönch, der der Erzketzerin Esclarmonde zurief, sie möge bei ihrer Spindel bleiben und sich nicht in theologische Disputationen mischen. Zuletzt sahen wir ihn, wie er unweit von Montsegur das Kloster Notre-Dame de Prouille gründete und unter den Albigensern Neophy-ten suchte. Wir hatten unterlassen, zu berichten, daß ihn und Simon von Montfort eine »fromme Freundschaft« verband, und daß er einmal in Lagrasse bei Carcassonne den Kreuzfahrern von einer künstlich aufgeworfenen Plattform aus die Messe las, während an den vier Ecken dieser Empore Scheiterhaufen aufgerichtet waren, auf denen unglückliche Ketzer brennen mußten.
Wir wollen nicht untersuchen, mit welchen »Wundern« es Dominik gelang, dem Kloster Prouille Mönche zu werben, die päpstliche Genehmigung für den Dominikanerorden zu erlangen und von der Muttergottes die Anbetung des Rosenkranzes als unerläßlich für die Ketzervertilgung zu erfahren. Wir wollen nur nacherzählen, daß er fast jeden Tag die eingemauerten Ketzer besuchte, um ihnen das Heilsevangelium zu verkünden, daß das Volk ihn wie einen Heiligen verehrte und seinen Mantel in Stücke riß, um die Fetzen als Reliquie mit nach Hause zu nehmen, und wollen mit dem Dominikaner-Geschichtsschreiber Malvenda feststellen, daß dem Gründer des Dominikanerordens der Ruhm zukommt, die Inquisition eingeführt zu haben.
Offiziell scheint die Inquisition am zwanzigsten April des Jahres 1233 gegründet worden zu sein, und zwar, als Papst Gregor der Neunte zwei Bullen veröffentlichte, in denen er die Ketzerverfolgung den Dominikanermönchen anvertraute. Aus diesen beiden päpstlichen Erlassen geht hervor, daß der Pontifex Maximus noch keine Ahnung hatte von dem Ziele, zu dem die Neuerung führen werde.
In der ersten Bulle betont der Papst die Notwendigkeit, daß die Ketzerei mit allen Mitteln zu vernichten und die Einrichtung des Dominikanerordens zu unterstützen sei. Dann wendet er sich an die Bischöfe: »Wir sehen euch verstrickt in einen Wirrwarr von Sorgen und kaum imstande, unter dem Drucke der überwältigenden Beunruhigungen zu atmen. Wir halten es deshalb für gut, eure Last tragen zu helfen und haben beschlossen, Predigermönche gegen die Ketzer Frankreichs und der benachbarten Provinzen auszusenden. Wir bitten, warnen, ermahnen und befehlen euch aus diesem Grunde, sie freundlich aufzunehmen, gut zu behandeln und ihnen eure Gunst, euren Rat und eure Hilfe zuteil werden zu lassen, auf daß sie ihr Amt verrichten können.«
Die zweite Bulle Papst Gregors des Neunten war an die Prioren und Mönche des Predigerordens gerichtet. Er weist darin auf die verlorenen
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