Kreuzzug
einzuschieben.
Die beiden Politiker und der Zugspitzbahn-Chef saßen konsterniert an ihrem Tisch.
Der Verteidigungsminister nahm die Brille ab, rieb sich die Augen und zischte: »Das hast du ja großartig hinbekommen, Hans-Peter. Terroristen wenden sich an die Öffentlichkeit. Live auf deiner PK .«
»Was soll das heißen,
meine
PK ?«, entgegnete der Ministerpräsident zornig. »Du hast doch auch dazu gedrängt.«
»Gedrängt? Ich? Du leidest ja an Realitätsverlust. So, jetzt nehme ich die Sache in die Hand. Das ist ein Angriff auf die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland. Direkt in unmittelbarer Nähe unserer Staatsgrenze. Schwablechner, Sie gehören jetzt zu meiner Truppe.
Alle
gehören jetzt zu meiner Truppe, ist das klar? Informieren Sie sofort Oberst Schultheiß in Berlin, meinen Adjutanten. Ich telefoniere mit der Kanzlerin.«
Verteidigungsminister von Brunnstein ließ Lackner, dessen Leute und seine eigenen Spezialisten zurück und stürmte in einen leeren Konferenzraum auf der anderen Seite des Flurs. Die beiden Bereitschaftspolizisten, die zusammen mit den Sicherheitsleuten des Ministerpräsidenten auf dem Gang Wache hielten und sich über den schnellen Abmarsch der Presseleute gewundert hatten, wies er an, niemand ins Zimmer zu lassen. Lackners Personenschützer rief er zu: »Gehen Sie rein zu Ihrem Chef und lassen Sie ihn nicht aus den Augen. Gefahrenstufe eins!«
Dann zog er das abhörsichere Satellitentelefon aus der kleinen Reisetasche und ebenso seinen Krypto-Laptop, den er vor sich aufklappte. Mit diesem Gerät konnte er mit dem Generalstab der Bundeswehr, dem MAD , dem BKA , der Bundespolizei sowie dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum ( GTAZ ) hoch verschlüsselt und daher – laut BKA und MAD – sogar sicher vor den amerikanischen Abhörern von NSA und CIA per Mail konferieren, wo immer er sich befand.
Die Kanzlerin meldete sich, während der Laptop hochfuhr, auf dem Satellitentelefon, und von Brunnstein erstattete Bericht.
»Das ist der V-Fall nach 115 a Grundgesetz«, schloss die Kanzlerin aus dem Gehörten.
»Ich widerspreche ungern«, gab der Verteidigungsminister zurück. »Wir wissen noch nicht, ob das alles wahr ist. Es könnte auch inszeniert sein, und dann vorschnell den Verteidigungsfall ausgerufen zu haben sieht im Nachhinein sicher nicht gut aus.«
»Besonders für Sie, lieber Philipp, weil im V-Fall die Befehlsgewalt über die Bundeswehr vom Verteidigungsminister auf den Bundeskanzler übergeht.« Die Kanzlerin wurde nicht zu Unrecht als messerscharfe Analytikerin gefürchtet. »Aber machen Sie sich keine Sorgen. Natürlich treffe ich bei dieser dürftigen Faktenlage nicht eine so weit reichende Entscheidung. Dennoch ist das eine schwierige Situation. Denn Sie, mein lieber Philipp, sind ja als Verteidigungsminister vor Ort und ein paar Ihrer Männer auch. Die Bundeswehr hat also schon auf diesen Angriff reagiert, auch wenn die Mission noch als Katastropheneinsatz läuft. Sollte sich aber bewahrheiten, dass es ein Angriff ist und auch noch ein Angriff von außen, tritt der V-Fall ein, das ist Ihnen ja wohl klar. Ich informiere schon einmal den Gemeinsamen Ausschuss und den Bundespräsidenten. Noch sind Sie Herr im Ring, lieber Philipp. Sehen Sie zu, dass Sie die Lage schnell in den Griff bekommen. Dann sind Sie der Held, das lasse ich Ihnen dann gern.«
In den Griff bekommen … Das liebte Philipp von Brunnstein an seiner Kanzlerin: Manche Dinge drückte sie herrlich nebulös aus. Er konnte diese Ansage auslegen, wie er wollte. Wichtig war, dass er möglichst lange den Eindruck aufrechterhielt – und im Nachhinein belegen konnte, dass er diesen Eindruck auch gehabt hatte –, die Entführung des Zuges sei inszeniert. Dann wäre der Tunnel zwar immer noch mutwillig gesprengt worden, aber die akute Bedrohung bereits vorbei. Also war das Ganze mehr ein Katastrophenschutz- als ein Verteidigungseinsatz seiner Truppe.
Doch der Zugriff musste möglichst schnell erfolgen. Natürlich hatte er gar nicht die dafür geeigneten Einheiten vor Ort. Sein Kommando Spezialkräfte ( KSK ) war in geheimen Missionen an allen möglichen Ecken dieser Welt beschäftigt. Das müssten schon die Leute von der GSG 9 machen, die ja zur Bundespolizei gehörten, also eigentlich dem Innenminister unterstanden. Aber da der über Weihnachten im fernen Thailand weilte, würde er sich nicht so schnell zwischen von Brunnstein und die Kameras der Weltpresse drängen können, wenn die Sache
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