Kreuzzug
vorbei war.
Nachdem die Bundeskanzlerin das Gespräch beendet hatte, koordinierte von Brunnstein über seinen Krypto-Laptop die nächsten Schritte. Er sandte Befehle an die entsprechenden Führungsstäbe seines Ministeriums und gab im Innenministerium bekannt, dass er in Absprache mit der Kanzlerin die nötigen Einsätze leiten würde. Der dortige Staatssekretär dankte seinem Schöpfer, dass er in dieser heiklen Sache nicht den Innenminister vertreten musste.
Das GTAZ sollte nachforschen, ob sich in den Daten des BKA oder der Amerikaner in den letzten Monaten Hinweise auf terroristische Aktivitäten finden ließen. Entsprechende Spezialisten von BKA und Bundespolizei sollten sich umgehend auf den Weg nach Garmisch-Partenkirchen machen.
Anschließend ging er zu dem Raum, wo der von Ministerpräsident Lackner einberufene Krisenstab der örtlichen Einsatzleiter versammelt war. Lackner hatte die Männer bereits auf den neuesten Stand gebracht. Im Hintergrund lief ein Fernseher: die ersten Eilmeldungen wurden bereits per Nachrichtenticker eingeblendet.
»Meine Herren, Sie haben mitbekommen, um was es hier geht«, ergriff von Brunnstein das Wort. »Wir haben es nicht mit einem natürlichen Felssturz zu tun, sondern mit einer … nein, falsch: mit zwei Sprengungen. Aber es ist noch schlimmer: Der Zug wurde, falls wir nicht einer medialen Inszenierung aufgesessen sind, entführt. Wir müssen zunächst klären, ob das wirklich der Fall ist. Jetzt müssen Sie mir aber erklären: Wie ist es Angreifern möglich, derart gezielt einen Zug in einem Berg festzusprengen?«
Die Frage ging eindeutig an August Falk. »Gute Sprengtechniker können so etwas natürlich«, antwortete der. »Aber keine Amateure, niemals. Müssen absolute Profis am Werk sein, dort oben.«
»Aber die müssen doch auch ihre Sprengladungen in den Fels bohren. Oder wie muss ich mir das vorstellen.«
»Das müssen sie. Mit Haftladungen ist da nichts zu machen. Die Sprengladungen müssten einige Meter tief in den Fels gebracht werden.«
»Und das fällt keinem auf?«, mischte sich Ministerpräsident Lackner ein.
»Wenn die das irgendwann nachts machen, dann nicht. Unsere Tunnel werden nachts nicht bewacht. Kein Eisenbahntunnel in Deutschland wird überwacht. Warum also unsere?«
»Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Herr Falk. Wir müssen nur verstehen, wer und was hinter der Sache steckt, damit die Leute vom BKA ihre Computer mit den richtigen Daten füttern können.« Verteidigungsminister von Brunnstein wusste, dass es in Deutschland unzählige ungeschützte Ziele gab. Dem Zugspitzbahner war wirklich kein Vorwurf zu machen. Wenn, dann den Leuten in BKA , LKA und GTAZ , die dieses Ziel nicht als hochgefährdet in ihre Listen eingetragen hatten.
»Und da kann jeder rein- und rausmarschieren, wie es ihm beliebt?«, setzte der Ministerpräsident nach. »Haben die Tunnelportale keine Türen?«
»Doch, haben sie seit ein paar Jahren. Nach dem Brand in der Gletscherbahn Kaprun wurden automatische Schiebetore eingebaut. Um den Kamineffekt bei Feuer und Rauch zu verhindern, nicht gegen unbefugtes Eindringen. Die öffnen sich automatisch, wenn ein Zug durchfährt, sodass sich bei jeder Ein- und Ausfahrt ein paar Leute reinschmuggeln können. Natürlich lassen sich die Tore auch von Hand entriegeln, aus Sicherheitsgründen.«
»Der Weg auf die Zugspitze und in die Tunnel steht also so gut wie jedem offen, wenn ich Sie richtig verstehe«, sagte von Brunnstein.
»Nicht mehr ganz so unbeschwert wie Ende der Siebziger, als einmal ein betrunkener Garmischer Lada -Händler nachts ohne Unterbrechung mit dem Geländewagen auf der Gleisstrecke nach oben gefahren ist. Aber im Prinzip schon.«
»Mitten im Kalten Krieg mit einem russischen Jeep auf Deutschlands höchsten Berg? Ist ja hollywoodreif.« Philipp von Brunnstein hatte ein besonderes Gespür für spektakuläre Inszenierungen. Nicht umsonst hatte er damals als Student der Rechte und der Kommunikationswissenschaft gern Praktika bei Boulevardzeitungen gemacht.
August von Falk fuhr unbeirrt fort. »Außerdem haben wir in jedem Sommer eine Menge Arbeiten an den Gleisen und in den Tunneln zu erledigen. Da sind nicht nur unsere eigenen Leute, sondern auch eine ganze Reihe von Fremdfirmen im Einsatz.«
»Ich stelle fest: Die Anlagen kann jeder betreten, der sich einigermaßen geschickt anstellt«, sagte von Brunnstein. »Ein Kommando kann entsprechende Sprengladungen den ganzen Sommer über in den Fels
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