Krieg der Kulturen (German Edition)
seinen Muezzin an seine kämpfenden
Brüder in allen Teilen der Welt überweisen.
So schröpfte er den, den er nicht mochte, um die zu
unterstützen, die er mochte. Für ihn ein guter Tausch und
ein akzeptabler Grund für seine Anwesenheit.
Die Tür war angelehnt. Das hieß, dass sein Bruder bereits
fertig und wieder verschwunden war. Er schloss leise die
Tür und bezog wieder seinen Posten, um vor dem
Wachgang seiner Kollegen wieder alles normal aussehen zu
lassen.
***
Der neue Tag war nicht besser als der alte gewesen. Die
Rettungskräfte hatten im Laufe des Tages viele der
Verletzten abtransportiert, aber nun den Platz in eine Art
Lagerstätte der Unfallautos umgewandelt. Man wollte
herausfinden, was passiert war und brauchte den Platz. So
wichen Krankenwagen denen der Armee und der Polizei.
Ich saß an der Bar und schaute auf die Stelle, wo gestern
noch, das Leid und Elend anderer Leute, direkt vor
meinen Augen stattfand, schlürfte dabei mein Abendbrot
Kaffee.
Die Tür ging auf und da kam doch mein Sonnenschein
reinspaziert!
„Seit wann bist du im Hotel?", fragte er mich neckisch
trotz meines erstaunten Gesichtes.
„Äh! Woher kommst du gerade?“
„Vom Flughafen, die Agentur hatte mich hierher gefahren,
aber noch einmal, wie lange bist du schon hier?“
„Noch nicht allzu lange und gestern habe ich gleich so viel
Elend gesehen wie in meinem ganzen Leben noch nicht.“
„Du meinst, das Tunnelunglück von gestern?
Ich habe davon gehört.“
„Ja, das meine ich. Wie lange bleibst du bei mir?“ fragte
ich ihn, als ich ihn umarmte.
„Ist schwer zu sagen, wenn mein Klient ruft, bin ich bei
ihm. Aber erzähle mir doch einmal, was dich beschäftigt.“
„Sehe ich so aus als würde mich etwas ….“
Er ließ mich den Satz nicht mehr beenden, sondern fragte
weiter.
„Du siehst so aus als wolltest du mir etwas sagen“, meinte
Max.
„Richtig geraten.“
„Na erzähl schon, ich merke es dir an, dass es dir auf der
Seele brennt.“
„Kannst du es dir nicht denken?", fragte ich.
„Jetzt, wo du mich so ansiehst, fällt es mir wie Schuppen
von den Augen, du hast sicherlich die Aufnahme geschafft,
oder?“
„Und wieder richtig geraten.“
„Na das feiern wir, sobald alles vorbei ist.“
Wir erzählten noch von diesem und jenen und über Gott
und die Welt. Als wir endlich auf unserem Zimmer waren,
war ich einerseits glücklich, aber andererseits ist mir
diese Situation, in der wir uns befinden nicht egal. Das
viele Leid ergreift meine Seele so stark, dass mir immer
wieder die Tränen in den Augen steigen.
„Abschalten, heißt das Zauberwort“, flüsterte er mir ins
Ohr.
„Das ist gut gesagt, wenn ich die Geräusche nicht aus
meinen Ohren verbannen kann.“
Max nahm meine Hand und wir setzten uns in eine
Sofaecke. Das sah mein Kater und wollte sich sofort
dazwischen klemmen. Max nahm ihn und setzte ihn in sein
Körbchen, was er nicht gut fand und so jämmerlich
miaute, als würde ihm etwas wehtun. Tat ihm sicherlich
auch, denn seine kleine Seele war angekratzt. Aber wir
ließen uns nicht weiter stören, sondern kuschelten so, als
hätten wir uns jahrelang nicht mehr gesehen und
schmiedeten dabei Zukunftspläne.
Max verriet mir seinen Wunsch nach einer eigenen
Anwaltskanzlei, die er ohne meine finanzielle
Unterstützung nicht aufbauen könnte.
Inzwischen war auch das Thema Kind dran. Er vermied es,
solange er konnte, da er schließlich nicht wusste, wie
unsere finanziellen Mittel mal aussehen werden, aber nun
dachte er anders darüber.
Er hatte sein zweites Staatsexamen, ich wurde an der HdK
angenommen, also stand dem Nachwuchs nichts mehr im
Wege, so dachte er es jedenfalls. Die Rechnung machte er
aber ohne den Wirt, denn ich hatte inzwischen nur noch
die Malerei im Kopf und für ein Kind war ich noch nicht
bereit, wollte erst mein Kunststudium beenden oder
zumindest vertröstete ich ihn für weitere Jahre, die er
sich noch gedulden müsste. Schließlich brauche ich Zeit
zum Überlegen.
Inzwischen waren Stunden vergangen und eine
unheimliche Ruhe im Hotel eingekehrt, wobei wir
einschliefen, weil wir müde waren.
Erst durch Hundegebell, das immer näher kam und lauter
wurde, wachten wir auf. Es war inzwischen früh am
Morgen, die Sonne knallte ins Fenster, das Feld vor dem
Hotel war so ordentlich aufgeräumt, so als wäre es immer
so friedlich.
Max bekam einen Anruf übers Handy, noch beim
Telefonieren zog er sich rasch an und mit einem Blick zu
mir meinte er, „ich ziehe mich an und gehe in
Weitere Kostenlose Bücher