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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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letzten Krümel des gestrigen Mahls von den Teppichen.
    »Dubito« , sagte Ofterdingen und spuckte
aus.
    Wolfram hatte derweil den dressierten Rabenvogel des Pullanen mit
offenem Mund angestarrt. Er war nicht nur von dessen Klugheit angetan, sondern
auch davon überzeugt, dass der Vogel als Antwort auf ihre Gebete gekommen sei,
um ihnen aus ihrer ausweglosen Lage zu helfen, und begann sogleich, Pläne zu
schmieden. »Wenn wir den Raben etwa dazu bekämen«, überlegte er, »eine
Nachricht, die wir ihm um den Hals oder um ein Beinchen wickeln, nach Eisenach
zu befördern –«
    Er wurde jäh durch einen Krächzer unterbrochen. Ofterdingen hatte
den Vogel gepackt und seinen kleinen Schädel am Mauerwerk zerstoßen.
    »Heinrich!«, donnerte Wolfram. »Beim Gott der Gerechten, was hast du
getan!«
    »Uns allen ein Frühstück verschafft, wenn auch ein kleines«,
erwiderte Ofterdingen und begann, dem Vogel die schwarzen Federn auszurupfen.
»Rupert hätte es so gewollt.«
    »Du dämliche Blindschleiche! Der Vogel hätte uns das Leben retten
können!«
    »Aber nicht doch, mein Guter«, versetzte Ofterdingen ungerührt. »Der
wollte lediglich etwas zu fressen bekommen, deshalb ist er hier. Glaub ja
nicht, nur weil er ein paar Brocken Latein aufsagen kann, wäre er gescheit. Da
ist er wie die Pfaffen. – Schau mich nicht so an, zum Henker; es war ein
stinknormaler Rabe, nicht der Falke des Kaisers.«
    Wolfram wetterte zwar nicht weiter, weigerte sich aber dennoch,
einen Bissen von dem mageren Braten zu nehmen, als der Spieß die Runde machte.
    Entgegen ihren Befürchtungen blieben am Morgen die Angriffe der
Thüringer komplett aus. Im Hof hielten die üblichen Wachmänner und
Armbrustschützen ihre Posten. Von der Vorburg hörte man Axt- und Hammerschläge,
und wenn man den Kopf aus einem der Fenster in der Ostfassade reckte, konnte
man unten im Wald von Zeit zu Zeit eine Tanne stürzen und Schnee wie Mehl
aufwirbeln sehen, bevor sie unter großen Mühen auf die Burg getragen wurde.
    Gegen Mittag wurden die Verteidiger an die Arkaden gerufen. Im Hof
stand die Landgräfin, im Gefolge eine Kammermagd und der tugendhafte Schreiber.
    »Wir möchten mit Euch verhandeln«, rief der Schreiber.
    »Mit dir kein Wort, verruchter Gnom!«, rief Ofterdingen zurück. »Nur
die Gegenwart einer Dame verhindert, dass ich dich mit Schimpfwörtern
überhäufe, die deiner würdig sind!«
    »Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Deshalb möchten wir ebenjene
Dame zu Euch schicken, in festem Vertrauen darauf, dass Ihr sie mit Eurem
Unflat und Euren schlechten Manieren verschont.«
    »Wir lassen sie nicht herein«, brummte Wolfram.
    »Weshalb denn nicht?«, fragte Biterolf.
    »Davon kann nichts Gutes kommen. Weshalb sein Weib? Ich sage euch:
Sie wird uns das sein, was den Trojanern das hölzerne Pferd war. Das ist eine
List.«
    »Hölzernes Pferd, so ein Schwachsinn«, murrte Ofterdingen. »Denkst
du denn, sie schmuggelt Wachleute in ihrem geschwollenen Leib? Natürlich lassen
wir sie herein. Schließlich hat sie mir beim Sängerstreit das Leben gerettet.«
    Gefasst schritt Sophia durch die Trümmer im Treppenhaus. Der Putz an
den Wänden war von so vielen Schwerthieben und Blutflecken verunstaltet, dass
es aussah, als hätte er selbst gelitten und geblutet. Es bereitete einige Mühsal,
der hochschwangeren Landgräfin über die Brustwehr zu helfen. Auf Biterolfs und
Ofterdingens Hand gestützt, kletterte sie schließlich hinüber. Sie trug
denselben Mantel, den sie über den Verlierer im Wettstreit gebreitet hatte,
doch der Bauch darunter war um ein Vielfaches größer geworden, als trüge sie
plötzlich zwei Kinder unter dem Herzen.
    Wolfram hatte seine Hilfe versagt und wartete im Festsaal auf ihre
Ankunft. Friedrich und Agnes verbeugten sich vor der Fürstin. Wolfram neigte
lediglich seinen Kopf ein wenig und fragte: »Weshalb schickt uns der Landgraf
von Thüringen plötzlich seine Gemahlin?«
    »Ihr wollt mit Eurem forschen Tonfall hoffentlich nicht
unterstellen, Hermann gebräche es neuerdings an Mut, selbst hier zu
erscheinen«, erwiderte Sophia kühl. »Denn das wisst Ihr besser. Ich selbst habe
darauf bestanden, zu Euch zu kommen.«
    »Weil wir den Worten einer Dame nicht zu widersprechen wagen?«
    »Nein, sturer Eschenbacher«, sagte Sophia und öffnete ihren Mantel.
An den Innenseiten ihres Mantels befestigt, an Schnüren um ihren Hals gehängt,
in den Gürtel und in Taschen gesteckt waren dort Würste, Schinken, getrocknete
Beeren und

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