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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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hintenanstelle und ihm daher vorziehe. Außerdem hat er
vorhin selbst eingeräumt, als Mann der Mitte nicht immer zu wissen, auf wessen
Seite er sich schlagen soll. Hermann von Thüringen ist großmütiger, als ihr
denkt. Wäre er nachtragend, er hätte mich wohl kaum eingeladen.«
    »Wenn ich die größten Sänger Deutschlands
hätte auswählen sollen und nicht mein Fürst«, erwiderte der Schreiber, » credite , Ihr wärt gewiss nicht hier.«
    » Ita vero, amicus . Das wäre dann aber
nicht so sehr ein Urteil über mein Können als vielmehr ein Beweis Eurer
Inkompetenz.«
    »Dichten wir unser Lied«, forderte Wolfram, während der Schreiber
nach Worten rang, »ehe die Zeit verstrichen ist und wir mit leeren Händen
dastehen.«
    »Meine Rede«, sagte Ofterdingen und setzte sich auf die Tischplatte,
wo das Schreibwerkzeug des Kanzlers ausgebreitet lag. »Also weiter: Thüringens
Rose liegt im Schnee. Und dann was? Frühling? Ist das nicht alles etwas
schwülstig?«
    Heinrich von Weißensee nahm darauf Feder und Tinte wieder an sich
und verschränkte die Arme vor der Brust. »Von mir kein Wort, wenn dieser
Ehrlose sein Gift in die Tinte mischt.«
    »Warum schmollt Ihr, Schreiber? Fürchtet Ihr, dass Eure mühselig
gedrechselten Reime meinen Versen nicht werden standhalten können?«
    Jetzt war es am Kanzler zu lachen. »Fürchten, in der Tat! Ihr
überschätzt Euer Talent maßlos, Heinrich von Ofterdingen! Der viele Zuspruch
von Soldaten und Bauern hat Euch geblendet, und durch die Einladung an den
Thüringer Hof glaubt Ihr Euch bestätigt, aber täuscht Euch nicht: Eure derben
Verse eignen sich vielleicht hervorragend dazu, um im Takt das Korn zu
dreschen, aber auf dieser hoheitlichen Bühne werdet Ihr mit Eurem Liedgut eine
klägliche Figur abgeben. Mit hängendem Kopf werdet Ihr die Wartburg wieder
verlassen.«
    »Lächerlich. Wer sollte mich denn übertreffen?«
    »Ich und jeder andere dieser Männer«, antwortete der Schreiber und
wies in die Runde.
    »Ihr? Mit Eurer höfischen Langeweile? Wolf mit seinen frömmelnden
Plagiaten aus Frankreich? Walther mit seinem Gesäusel von Linden und geknicktem
Gras, tandaradei ? Oder das Küken da, von dem ich noch
nie etwas gehört habe? Ich habe meine Zweifel.«
    »Finden wir es heraus. Nutzen wir diese einmalige Zusammenkunft für
einen Wettstreit. Einen Wettstreit, unter uns den Besten zu ermitteln.«
    »Ein Wettstreit? Pfui, so ehrt Ihr Eures Landgrafen Wunsch nach
Einigkeit unter uns Sängern? Ihr hattet zu viel Brombeerwein.«
    »Ihr kneift?«
    »Nicht doch. Ich bin dabei. Ein hervorragender Einfall. Was den
Rittern das Lanzenstechen, sei uns ein Wettkampf mit Liedern. Wer ist der
Schiedsrichter?«
    Der Schreiber legte eine Hand auf die Schulter des blinden Reinmar.
»Ich schlage unseren Primus inter pares vor: Meister
Reinmar, der Älteste und Weiseste von uns. Ich rechne mit Eurer Zustimmung,
Ofterdinger. Schließlich ist er der Einzige, den Ihr noch nicht beleidigt
habt.«
    »Meinethalben.«
    »Und welchen Einsatz zahlt der Besiegte?«, fragte Walther.
    »Wenn ich verliere, kriegt Ihr meine Fiedel«, erwiderte Ofterdingen.
»Oder nein, wir setzen unsere Pferde! Ich hab gehört, Walther braucht dringend
ein neues.«
    »Fahr zur Hölle.«
    »Also doch kein Pferd. Was hattet Ihr denn im Sinn, werter Herr
Kanzler?«
    »Euren Kopf«, antwortete der Schreiber leise. Die anderen starrten
ihn schweigend an. Ofterdingen nahm einen großen Schluck von seinem Wein und
kicherte dabei so lange, bis auch er begriff, dass es dem Schreiber ernst war.
»Der Verlierer stirbt. Ein Henker soll seinen Kopf vom Rumpf trennen.«
    Reinmar fand als Erster wieder zu Worten: »Ich bitte Euch! Das
erscheint mir reichlich übertrieben.«
    »Warum sollten wir weniger einsetzen als unser Leben?«, beharrte der
Schreiber. »Wer schlechte Lieder singt und sich einen Dichter nennt, verdient
der, auch nur einen Tag länger zu leben? Moriendum est .«
    »Hört, hört«, entgegnete Ofterdingen. »Ein Sängerstreit auf Leben
und Tod. Ihr hattet entschieden zu viel Brombeerwein. Aber ich bin dabei.«
    »Das ist Wahnsinn«, brummelte Walther. »Ihr seid alle betrunken und
werdet euch morgen für diesen Käse schämen. Aber ich tue mir das nicht länger
an. Gute Nacht.«
    Als Walther aufstand und sich anschickte, den Saal zu verlassen,
sagte Ofterdingen zum Schreiber: »Walther hat mal wieder kalte Füße bekommen.
Die Nachtigall flattert davon; streicht sie von der Liste.«
    Unvermittelt drehte sich

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