Krieg der Sänger
Panzer und ein Schild besorgen. Da du, anders als Walther, Wolfram und
Ofterdingen, keinen Knappen mitgebracht hast, hat der Kanzler mir freigestellt,
dir diesen Dienst zu leisten, was ich, wenn du es wünschst, mit großer Freude
und wenig Kenntnis tun werde. Keine Bange, anders als bei eurem Sängerturnier
wirst du heute höchstens ein paar blaue Flecken davontragen. Es geht nicht so
sehr ums Gewinnen oder Verlieren als vielmehr darum, eine gute Figur zu machen,
worüber ich mir bei dir wenig Sorgen mache.«
Dietrich führte Biterolf zum Zeughaus im Süden der Burg. Ihre
Stiefelspitzen schoben den Neuschnee vor sich her. Zwischen Südturm und dem
Palas lag im Schatten der Mauer der Garten der Wartburg. Hier sollte das
Turnier Mann gegen Mann stattfinden. Die Schranken waren bereits errichtet,
gleichfalls ein niedriges Podest für den Fürsten und seine Gemahlin, mit dem
gestreiften Thüringer Löwen verziert und durch einen Baldachin vorm Wetter
geschützt. Auf einem Ständer daneben waren ein halbes Dutzend stumpfer
Schwerter für den Schaukampf bereitgestellt. Knechte des Landgrafen schmückten
die rohen Holzschranken mit Wimpeln und Tüchern. Walther von Vargula, der erste
Ritter Herrmanns, beaufsichtigte die Vorbereitung und gab letzte Anweisungen.
In der Rüstkammer drängten sich bereits die Ritter und Knappen.
Biterolf wurde freundlich begrüßt, und da der Adlatus des Schreibers in der Tat
keinerlei Ahnung vom Kriegshandwerk hatte, gesellte sich Egenolf von
Bendeleben, einer der Thüringer, zu ihnen, um den Sänger bei der Auswahl von
Schild und Harnisch zu beraten. Da die Zweikämpfe zu Fuß ausgetragen wurden,
riet ihm Egenolf zu einem leichten Gambeson. Die meisten Ritter trügen zwar
Panzerhemden, die aber böten gegen die stumpfen Waffen kaum Vorteile und seien
wegen des Gewichts nur geübten Kämpfern zu empfehlen. Mit dem Gambeson hingegen
sei Biterolf nicht nur schneller auf den Beinen, sondern zudem vortrefflich
gegen die Kälte geschützt. Man fand ein entsprechendes Gewand und dazu einen
Helm. Dietrich klatschte in die Hände, begeistert von Biterolfs
Erscheinungsbild. Schließlich schickte Egenolf seinen Knappen auf die Suche
nach einem dreieckigen Schild.
Egenolf verkürzte ihnen die Wartezeit, indem er ihnen, von
gelegentlichem Lachen unterbrochen, vom Fortgang des Händels zwischen Gerhard
Atze und Walther von der Vogelweide berichtete. Der Landgraf habe sich auf
Walthers Seite geschlagen und seinen Ritter wegen der Tötung des Pferdes zu
einer Ausgleichszahlung von drei Mark verdonnert. Zähneknirschend habe Atze
diese für ihn horrende Summe gezahlt, im Gegenzug aber darauf gepocht, dass der
Kadaver des Tieres dann auch in seinen Besitz überginge. Diesen habe er dann
unverzüglich dem hiesigen Fleischhauer übergeben mit der Anweisung, jedes auch
nur annähernd essbare Körperteil davon zu Wurst, Schinken, Braten und Suppe zu
verarbeiten. Obwohl oder gerade weil Schlachtross außerhalb von Notzeiten so
selten auf dem Speiseplan stand, habe sich Rüdiger der Fleischhauer nun
vorgenommen, das Beste aus dem toten Gaul herauszuholen, und das Meisterstück
sollte der Schinken werden: Rüdiger war noch am Morgen aufgebrochen mit einer Axt,
um Buchenholz fürs Räuchern zu schlagen, auch auf die Gefahr hin, darüber das
Turnier zu verpassen. Gerhard Atze habe sich ausgebeten, im Zweikampf gegen
Walther antreten zu dürfen, aber dass der Landgraf die beiden aufeinander
loslasse, sei höchst unwahrscheinlich: Atze würde zweifellos auf den Sänger
eindreschen, bis entweder sein Holzschwert oder Walthers Knochen zersplittert
waren.
Ofterdingens Schild war blau mit einem Pilger mit geschultertem
Speer, Wolframs ein roter Krug auf gelbem Grund, Walthers der Singvogel in
einem gelben Käfig. Biterolfs Schild war ohne Schmuck und Wappen und trug
lediglich die Farben Thüringens; rechts Silber und links Rot. Und auch um die
Rüstungen beneidete Biterolf die anderen. Zumindest blieb ihm der Trost, dass
die Thüringer ohnehin nur auf Rupert gafften, Ofterdingens schweigsamen
Pullanen, der selbst für den Kampf seine ungefütterten Gewänder trug und den
Turban statt eines Helmes, und der einen runden Sarazenenschild in der Hand
hielt, der kaum größer war als die Teller beim gestrigen Bankett. Als sechster
Herausforderer aus den Reihen der Gäste würde Wolframs Knappe Friedrich
antreten.
Vom Kind bis zum Greis hatte sich die gesamte Besatzung der Burg im
Hof versammelt, frühzeitig trotz der Kälte,
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