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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Walther um, nahm einen Becher von der Tafel
und schleuderte ihn nach Heinrich von Ofterdingen. Der konnte sich rechtzeitig
ducken, sodass lediglich der Schweif von Wein, den dieser Komet nach sich zog,
auf ihn niederregnete. Der Becher rollte scheppernd ins Dunkel des Saales.
Walther machte einen Satz nach vorn und packte Ofterdingen bei seinem Umhang.
Mit seinem ganzen Gewicht warf sich Wolfram zwischen die beiden, um sie zu
trennen.
    »Du bekommst deinen gottverdammten Lohn!«, bellte Walther. »Es wird
mir eine Freude sein, dich aus dem Sattel zu stoßen, wenn du so sehr darauf bestehst!
Die ganze giftige Brut der Hölle soll über deine Seele herfallen, du Maulheld!«
    Ofterdingen lächelte und fuhr sich mit dem Ärmel über sein Gesicht,
um den Wein wegzuwischen. »Und du, Wolf?«
    Wolfram nickte. Dann zeigte er auf Biterolf: »Aber lasst ihn aus dem
Spiel, ich bitte euch.«
    Biterolf, verwirrt von der plötzlichen, erstmaligen Aufmerksamkeit
der Sänger, erhob sich. Erst jetzt spürte er den Wein in seinen Beinen und das
Herz in seiner Brust. Mit einer Hand hielt er sich an der Tischplatte fest.
»Nein, nein«, stammelte er. »Ich bin auch dabei. Selbstverständlich.«
    »Du bist ein Neuling«, sprach Wolfram auf ihn ein. »Niemand würde
einen Pagen in ein Turnier treiben. Tu es nicht. Glaub mir: Es ist ratsam,
Abstand zu nehmen, wenn Heinrich um sich schlägt.«
    »Meint Ihr etwa, dass meine Dichtung dem Vergleich nicht standhält?«
Biterolf spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht kroch.
    »Ich kenne deine Dichtung doch gar nicht. Ich finde nur, dass du zu
jung bist, dein Leben für einen solchen Unsinn aufs Spiel zu setzen.«
    »Jung bin ich, aber alt genug, mich nicht beleidigen zu lassen!«
    Wolfram sah Biterolf noch einmal eindringlich an, dann ließ er
seufzend von ihm ab. Ofterdingen hob anerkennend den Becher in Biterolfs
Richtung. Biterolf nahm wieder Platz und fühlte sich noch stärker als beim
gemeinsamen Falkenlied.
    Statt des erwarteten Preisliedes erwartete den Landgrafen also
die Ankündigung eines Wettstreites, den die Sänger untereinander auskämpfen
wollten: ein dichterisches Turnier, das am Weihnachtstag, also nach einer
Vorbereitung von drei Tagen, ausgetragen werden sollte. Der Sieger sollte zum
Minnekönig gekrönt werden. Der Verlierer sollte den Kopf verlieren.
    Man hatte lediglich den Landgrafen und seine Gemahlin zurück in den
Festsaal gebeten. Hermann hörte die Ausführungen seines Kanzlers mit steinerner
Miene an. Der Landgräfin hingegen schrieb sich mit jedem Wort das Entsetzen ins
Gesicht. Biterolf fühlte sich zurückerinnert an die Klosterschule; an das Gefühl,
vom Pater bei einem Streich ertappt worden zu sein. Der Schreiber beendete die
Aufzählung der Statuten, auf die man sich geeinigt hatte, mit der untertänigsten
Bitte an den Landgrafen, diesem Wettstreit seine Zustimmung nicht zu
verweigern.
    Hermann bemühte sich, den Sängern ihr Unterfangen auszureden.
Vergebens appellierte er an die Altersmilde von Reinmar und Wolfram, vergebens
schalt er seinen Kanzler und seinen Lehnsmann Walther für diese hässliche
Fehde. Als er das Wort schließlich an Ofterdingen richtete, zuckte der die
Schultern und versicherte, der Einfall zu diesem blutigen Kräftemessen stamme
nicht von ihm, gefalle ihm aber dennoch außerordentlich, und er versuchte im
Gegenzug, den Landgrafen dafür zu begeistern: Denn ein friedlicher Gipfel der größten Sänger würde den Ruhm des Thüringer
Hofes zweifellos mehren, ein Wettkampf mit solch
hohem Einsatz aber wäre nahezu legendär. Doch auch diese Aussicht vermochte
Hermanns Missmut nicht zu vertreiben.
    Sophia, der indessen – zur Beklemmung aller Anwesenden – die Tränen
über die Wangen gelaufen waren, beschwor einmal mehr das Bild des Blumenkranzes,
den die Sänger so schnell und so achtlos zerrissen hätten. »Wahrscheinlich ist
es ein Fehler, größer von Euch zu denken, nur weil Ihr Gedichte schreibt«,
sagte sie, und an Wolfram gerichtet: »Diese Rohheit steht Euch schlecht zu
Gesicht.«
    Dann verließ sie den Saal. Die anderen Gäste des Banketts, die zur
Hälfte im Rittersaal und zur Hälfte in der Küche auf die Erlaubnis zur
Wiederkehr und den versprochenen Sängerchor gewartet hatten, wurden vom Schenk
in Kenntnis gesetzt, dass der Landgraf des Bankett beendet habe. Lediglich die
Dienerschaft kam zurück in den Saal, um nach und nach die Tafeln abzudecken und
die Lichter zu löschen. Ein Mann nahm einen der Fellrahmen vom

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