Krieg der Sänger
damit kühlte. Dann gab sie Walther den versprochenen
Kuss und legte ihm einen Rosenkranz aus Ebenholzperlen um den Hals.
Heinrich von Ofterdingen trat gegen Gerhard Atze an. Nach einem
kranken Thüringer stritt nun ein versehrter, denn Atzes Hand war noch nicht so
weit verheilt, dass sie ein Schwert halten konnte. Er erklärte, stattdessen mit
links fechten zu wollen und auf den Schild ganz zu verzichten. Ofterdingen wies
diesen Vorteil zurück und bestand darauf, ebenfalls linkshändig und ohne
Deckung zu kämpfen. Das kuriose Duell, das folgte, sorgte für Heiterkeit:
Keiner der beiden machte eine gute Figur mit dem Schwert in der schwachen Hand,
aber Atze versuchte es zumindest. Ofterdingens Strategie war das fortwährende
Ausweichen. Atze jagte ihm durch den umzäunten Garten nach und beschwor ihn bei
seiner Ehre stehen zu bleiben. Beide stolperten mehr als einmal auf dem
unebenen, verschneiten Boden. Als Ofterdingen einen wuchtigen Schlag des
Thüringers parierte, brach seine Holzklinge entzwei, und noch während sich Atze
darüber wunderte, setzte Ofterdingen mit dem Stumpf einen Treffer. Auch die
beiden Kämpfer konnte sich des Lachens jetzt nicht mehr erwehren. Ofterdingens
Waffe wurde durch eine neue ersetzt.
Der Kampf endete mit einem Gerangel auf dem Boden. Ritter Gerhard
siegte zwar, aber Ofterdingen drückte ihm bei der Verkündung eine Handvoll
Schnee ins Gesicht. Atze zahlte es ihm mit gleicher Münze heim. Wie Kinder
tobten die beiden zur Freude des Publikums im Schnee. Gemeinsam verließen sie
den Kampfplatz, sich gegenseitig Schnee und Erde von den Rüstungen klopfend,
die Köpfe glühend von der eiskalten Waschung. Atze wies einen Knaben an, ihnen
einen Krug Reinhardsbrunner Klosterbier und zwei Becher zu bringen.
Biterolf hatten inzwischen zu frösteln begonnen oder zumindest zu
zittern. Dietrich, sein Knappe auf Zeit, fingerte ungeschickt an diversen
Riemen auf Biterolfs Rücken herum, die längst befestigt waren. »Der Ofterdinger
hat auch verloren und wurde gefeiert«, sagte er aufmunternd, als käme ein Sieg
Biterolfs überhaupt nicht infrage.
Reinhard von Mühlberg, sein Gegner, war sogar noch ein paar Jahre
jünger als er, und an den harten ersten Schlägen auf sein Schild erkannte
Biterolf, dass sich der junge Ritter vor seinem Fürsten beweisen wollte. Das
Gambeson war eine gute Wahl gewesen, aber Helm, Schild und Schwert erschienen
Biterolf ungewöhnlich schwer. Er konzentrierte sich auf die Abwehr, in der
Hoffnung, Reinhards Kräfte würden irgendwann nachlassen. Zwischen der Oberkante
des Schildes und der Unterkante seines Helms hindurch fiel sein Blick immer
wieder auf einzelne Gesichter hinter den Schranken, die sich ihm seltsam
deutlich einprägten, obwohl er sie nur einen Wimpernschlag lang sah. Zu diesen
Gesichtern zählte auch das der Magd, auf die ihn Klara angesprochen hatte, der
Amme des kleinen Heinrich, die jetzt von hinter dem Thron der Landgräfin aus
den Kampf verfolgte.
Jetzt erwischte ihn das Schwert seines Gegners am Oberschenkel.
Hätte es eine scharfe Klinge aus Eisen gehabt, es hätte das Bein wahrscheinlich
geradewegs abgetrennt. Den Schrei musste sich Biterolf dennoch verkneifen.
Reinhard änderte nun seinen Stil; anstatt auf der Stelle zu verharren,
umkreiste er Biterolf und schlug seltener, dafür aber gezielter zu. Auch Biterolf
konnte endlich einige Hiebe setzen. Doch dann drehte er sich nicht rechtzeitig,
und ein zweiter Schlag traf ihn, beschämend genug, am Rücken. Schon kam der
Schweiß hinzu und keine Möglichkeit, sich über die Stirn zu wischen. Immerhin
war er schnell genug, das Stolpern seines Kontrahenten über eine Wurzel auszunutzen,
um den ersten Punkt für sich zu machen.
Während Walther von Vargula den Treffer verkündete, schaute Biterolf
nach der Amme, aber sie hatte sich gerade zu einem der Kinder des Landgrafen herabgebeugt.
Und als Biterolf einmal mehr nach ihr ausschaute, während der Kampf bereits
weiterlief, da blickte sie zwar zurück – aber diese Unachtsamkeit hatte zur
Folge, dass er Reinhards Schlag nicht kommen sah. Die hölzerne Klinge traf zur
Hälfte seine Stirn, zur Hälfte den Helm. Es schepperte. Biterolf war, als ob
jemand einen zentnerschweren Glockenklöppel in seinem Schädel geschlagen hätte.
Er blieb zwar stehen, ließ sein Schwert aber fallen. Für einen Moment hörte er
nichts mehr, als ob es auch in seinen Ohren schneite. Dann wurde sein Blick
plötzlich zweifarbig, schneeweiß rechts und links rot vom
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