Krieg der Sänger
Ludwig der Fromme, noch
Landgraf von Thüringen, da sorgten sich beide um das Heil ihres verstorbenen
Vaters, Ludwigs des Eisernen. Also ließ man einen Pfaffen aus Eisenach auf die
Burg holen, der sich auch auf Nekromantie verstand. Während der Zwölften sei es
gewesen, natürlich, während der herrenlosen Tage, an denen die Grenzen zwischen
dem Diesseits und dem Jenseits durchlässig sind und die Hölle ihre Pforten
öffnet – ja wenn sie sich recht erinnere, auf die Nacht genau heute vor
Dutzenden von Jahren –, als man dem schwarzen Pfaffen das oberste Geschoss im
Südturm überließ, auf dass er dort den Teufel beschwöre.
Am nächsten Morgen haben sich der Landgraf und sein Bruder samt
einigen anderen um den Turm versammelt, da kam der Pfaffe mit roten Augen und einem
gelben Gesicht herausgetaumelt, und was er berichtete, war dies: dass es ihm
tatsächlich gelungen sei, einen Teufel zu beschwören, und dass dieser Teufel
versprochen habe, ihn, den Pfaffen, in die Verdammnis zu führen, ihm die Seele
des eisernen Landgrafen zu weisen und ihn unbeschadet wieder herauszulassen.
Der Pfaffe sei also auf die Schultern des Teufels gestiegen, und dieser sei mit
ihm von der Wartburg über den Fluss zum Hörselberg geflogen – wo die Unterwelt
so knapp bis unter die Oberfläche reicht, dass bisweilen die Flammen des
Fegefeuers herausschlagen – und durch einen Spalt im Gestein direkt hinein in
sein Reich. Hier habe der Pfaffe so viele jammernde, bejammernswerte Seelen und
so viel Marter und Pein sehen müssen, dass es einem Wunder gleichkomme, dass er
vom Anblick nicht erblindet sei. Sein Teufel habe nun einem anderen Teufel bestellt,
den eisernen Ludwig heranzuschaffen, und nach einem Stoß in des Teufels Posaune
habe sich der Boden geöffnet und unter Funkenflug und Schwefeldampf eine Grube
offenbart, einen brodelnden Pfuhl voller Leiber, und diesem Pfuhl sei der alte
Landgraf entstiegen, hager und schwarz, mehr Gerippe als menschliches Wesen,
ein löchriges Büßerhemd am Leib. Als der Unglückliche des priesterlichen Besuchers
ansichtig geworden sei, habe er sich selbst aufs Strengste verklagt, dass er zu
Lebzeiten den Klöstern so übel mitgespielt habe, dass er den Mönchen gottlos
Vermögen und Land abgepresst habe und dass er deshalb vollkommen zu Recht die
Strafe im ewigen Feuer zu erdulden habe. Einen einzigen Schlüssel gebe es, die
Erlösung dennoch zu erlangen: Wenn nämlich seine Söhne das entzogene Gut an die
Klöster zurückgäben, dann wäre seine Pein von der Stunde an beendet.
Landgraf Ludwig und sein Bruder haben diesen Bericht von der
nächtlichen Vorhöllenfahrt aber für einen durchsichtigen Kniff des Pfaffen
gehalten, eine große Summe Geldes für seine Ordensbrüder zu kassieren, und
haben den Pfaffen zum Teufel geschickt, mit der Auflage, das Anrufen der Toten
künftig zu unterlassen, wenn er nicht auf dem Scheiterhaufen enden wolle. Der
Pfaffe habe aber ohnehin nichts mehr von Zauberei wissen wollen: Er habe
Pfründe und Lehen aufgegeben und war Mönch im Kloster Volkenroda geworden. Bis
an sein Lebensende sei die gelbe Farbe nicht aus seinem Gesicht gewichen – sie
sehe ihn jetzt noch vor sich, sagte das Mütterchen; gelb wie ein Hühnerfuß sei
er gewesen –, und ob sich das Gesicht nun durch die namenlosen Schrecken des
Purgatoriums verfärbt habe oder durch den vielen Schwefeldampf, ganz gleich:
Sein gelbes Gesicht sei der untrügliche Beweis, dass sein Bericht wahr gewesen
sei, Amen.
Die Stimmung der nächtlichen Festlichkeit war durch das
Schauermärchen der Greisin nun endgültig verdorben. Gerhard Atze erhob seinen
Becher auf das Wohl Rüdigers, für dessen Rückkehr oder Seelenheil man beten
werde.
Ein weiterer Gast betrat die Küche, während die Becher geleert
wurden. Es war ausgerechnet Bertolt, der Singerknabe Walthers von der
Vogelweide, der für seinen Herrn etwas zu essen besorgen wollte. Dem Burschen
schlug kaltes Schweigen entgegen: Obwohl Walther nichts mit dem Verschwinden
des Fleischhauers zu tun hatte – oder hatte er? –, war sein Pferd doch
irgendwie schuld an Rüdigers Schicksal und mit ihm auch der Reiter.
Bevor irgendjemand seinen Unmut äußern konnte, sagte Atze:
»Sicherlich wird man dir geben, was dein Herr wünscht.« Er zeigte mit dem
Finger auf den Jungen, der den Bratenspieß mit der Pferdebrust kurbelte: »Du:
Schneid ihm die saftigsten Stücke von unserem Ochsen herunter. – Wünscht
Walther Brot dazu? Etwas Obst?«
Bertolt nickte, und
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