Krieg der Sänger
Euch
teilen werden, geschweige denn ihr Leben?«
In der Zwischenzeit hatte auch das vierte, bislang ausgeglichenste
Gefecht um den Rosenkranz sein Ende gefunden: Der Thüringer hatte Wolframs Friedrich
knapp besiegt. Drei Thüringer Siegen stand somit nur ein Sieg der Gäste
gegenüber. Jetzt allerdings begann der Zweikampf, der mehr als alle anderen die
Neugier der Burgbewohner gereizt hatte, denn jetzt stritt einer der Ihren gegen
Rupert, Ofterdingens Knappen; jenen Mann, der den Ungläubigen so verblüffend
glich und dennoch beteuerte, ein Christ fränkischer Abstammung zu sein. Doch
wenn wirklich Frankenblut durch Ruperts Adern floss, warum kleidete er sich
dann wie ein Sarazene, den Turban eingeschlossen? Wenn er tatsächlich die
Heilige Dreifaltigkeit verteidigte, warum dann ausgerechnet mit einem
sarazenischen Rundschild, mit denen die Heiden doch Christi Grab erobert
hatten? Und sprach er vielleicht deshalb nie, weil er nichts beherrschte als
das kehligen Kauderwelsch, das die braunen Teufel dort unten redeten?
Dem Pullanen schlug also stumme Abneigung entgegen. Umso ärgerlicher
war es für das Publikum, dass er einwandfrei kämpfte: Elegant, beinahe körperlos
wich Rupert sämtlichen Schlägen aus, um dann den Rücken seines Gegners mit
bestimmten, aber wenig schmerzhaften Treffern zu traktieren. Es war wie der
Kampf eines Bären gegen einen Schwarm Bienen. Als der Thüringer, der
Schildknappe des Burghauptmanns, einmal stolperte und rücklings in den Schnee
fiel, ließ Rupert die Waffe sinken und reichte seinem Gegner eine helfende
Hand. Der Knappe schlug das Angebot aus und mühte sich und seinen Kettenpanzer
selbst wieder auf die Beine.
Ohne einen einzigen Gegentreffer wurde Rupert zum Sieger ernannt,
und ein Raunen ging über den Burghof, als er barhäuptig auf die Landgräfin
zuschritt, um seinen Lohn einzufordern. Dass ihre Herrin diesen Orientalen auf
sein heidnisches Maul küsste, wollte den meisten Thüringern nicht gefallen. Als
sie ihm den Rosenkranz umgelegt hatte, nahm er mit einer großen Geste das Kreuz
in die Hand und drückte seine Lippen darauf, wie um vor der Menge seinen
Glauben an den Erlöser zu beweisen.
Die letzte Begegnung fand statt zwischen Wolfram von Eschenbach und
Egenolf von Bendeleben. Warum sich Wolfram vornehmlich als Ritter verstand und
nicht als Sänger, wurde in diesem Kampf deutlich, denn wie Rupert vor ihm ließ
er seinem Thüringer Gegner keine Aussicht auf Erfolg. Mit erstaunlicher Gewandtheit
bewegte er seinen massigen, massiv gerüsteten Körper über den Kampfplatz, und
mit der Übung zahlloser Jahre führte er Schwert und Schild. Die Treffer des
anderen schienen ihn nicht mehr zu stören als die Schneeflocken.
Den Rosenkranz nahm Wolfram gerne an, aber er bat darum, sich den
Kuss der Landgräfin versagen zu dürfen. Sophia war von dieser Zurückweisung
ebenso verwirrt wie alle anderen. Wolfram erklärte lächelnd, er fürchte, sein
stacheliger Bart könne Sophias liebliche Lippen blutig kratzen, wie in der Sage
Kriemhilds Lippen vom Bart des rauen Ilsan zerkratzt wurden. Doch auch diese
Entschuldigung löste nicht die Irritation darüber auf, dass sich der große
Wolfram von Eschenbach versagen sollte, was ein Turban tragender Fremdling so
selbstverständlich eingefordert hatte.
Hermann erhob sich, dankte den Teilnehmern des Wettstreits und
begrüßte zugleich das ausgeglichene Ergebnis: drei Siege für die Gäste und drei
für seine Thüringer. Im Badehaus seien inzwischen die Kessel angeheizt worden,
und er lade die Kämpfer ein, sich gemeinsam von Schmutz, Schweiß und Blut zu
reinigen und den Schmerz der geschundenen Glieder im heißen Wasser zu lindern,
derweil Mägde Wein und Konfekt reichten. Dann führte er seine Gemahlin an der
Hand zurück in den Palas.
Nach und nach verlief sich auch die Menge der Zuschauer, während die
Ritter noch säumten, um beim Kampfplatz über die Waffengänge zu schwatzen.
Biterolf sah sich nach der Magd Agnes um, die doch seine Wunde verarzten
sollte, fand sie aber nirgends. Die beiden Söhne des Landgrafen standen bei den
Rittern. Irmgard, die Älteste, hatte sich unerschrocken zu Heinrich von
Ofterdingen, seinem Singerknaben und Rupert gesellt. Ofterdingen, auf einer
Treppenstufe sitzend, musterte interessiert ihr Spielzeug, die kleinen Krieger
für Jesus und Mohammed, bog ihre Glieder aus Stoff und Draht in angriffslustige
Posen und lobte die Authentizität ihres Harnischs. Die Tochter des Landgrafen
hörte ihm nur
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