Krieg der Sänger
Mär singen von der Frau, die sich ihre bockige Fut in
den Schoß nagelt! Nein, dafür ist mir mein Leben dann doch zu teuer. Nebenbei
bemerkt, sind diese schmutzigen Weisen gar nicht aus meiner Feder. Mit Ausnahme
der Fabel von der Nonne und dem Esel. Die war gut, oder?«
»Aber was werdet Ihr dann vortragen?«
»Hermann und sein Gefolge werden zu hören bekommen, was sie hören
wollen: das Lied von den Nibelungen.«
»Und damit, meint Ihr, werdet Ihr Minnekönig.«
»Wer redet denn von der Krone! Eher wird mein Arsch der Mond als ich
König der Minnesänger! Nein, gewinnen werde ich ganz bestimmt nicht. Nicht mit
einem Höfling wie Reinmar als Kampfrichter. Reinmar wird es sich mit Hermann
nicht verscherzen wollen. Ich wette mit dir, dass Wolfram mit seiner
kryptischen Erlösungsgeschichte von Parzival und dem Gral das Rennen macht. –
Noch etwas Pfeffer in deinen Wein?«
»Und Walther?«
»Trauen wir Reinmar zu, dass er es diesem ewigen Jammerer so übel heimzahlt
und die Gelegenheit nutzt, Walther aus der Welt zu schaffen?«, fragte
Ofterdingen. »Natürlich nicht. Aber dass er ihn zum Sieger kürt, erscheint mir
noch weniger denkbar. Armer Walther! Kaum hat er sein eigenes Pferd verdaut und
geschissen, da wartet schon die nächste Kränkung auf ihn.«
»Ich dachte, Ihr hasst Walther.«
»Er hasst mich. Wie er jeden hasst, der irgendwann einmal
irgendeinen Scherz auf seine Kosten gemacht hat. Aber ich mag ihn eigentlich
ganz gerne. Er hat Talent. Und wir standen Rücken an Rücken im Gefecht gegen
die Sarazenen, auch wenn er davon nichts mehr hören mag! Weißt du, Walther ist
mir weiß Gott lieber als dieser Kleingeist von Schreiber. Oder als Sankt
Wolfram, der flügellose Engel, der allen Witz in sein Werk steckt, dass am Ende
für ihn selbst nichts mehr übrig bleibt. Nein, Walther wird nicht verlieren.
Also trifft das Schwert … entweder dich oder den Schreiber. Einer von euch
beiden schlägt die Harfe bald bei den Engeln. Ausgerechnet ein Thüringer! Kein
Wunder, dass der Landgraf immer wieder auswärtige Talente an seinen Musenhof
locken muss, damit sein Thüringer Wald auch weiterhin der deutsche Parnass
bleibt.«
»Ich lege mein Schicksal in die Hand dessen, der Himmel und Erde
gemacht hat«, erwiderte Biterolf fest. »Es ist eine heilige Prüfung. Wenn Er
Gefallen an meiner Kunst hat, werde ich den Wettstreit auch überstehen. Falls
nicht, dann bin ich offenbar nicht wert, Minne zu singen, aber dann darf und
dann will ich ohnehin nicht weiterleben. Ich unterwerfe mich Seinem Urteil.«
»Nur urteilt nicht Gott, sondern Reinmar«, bemerkte Ofterdingen.
»Aber die Haltung lob ich mir, Jung Biterolf! Eine heilige Prüfung, in der Tat!
Hol’s die Pest, nicht eben helle, aber mit solcher Tapferkeit musst du einfach
bestehen!« Er legte eine Hand auf Biterolfs Nacken.
Eine Weile saßen sie so. Die kräftige Hand im Genick fühlte sich gut
an, als könne sie Biterolfs Hals vor der Klinge des Richtschwerts schützen.
Heinrich von Ofterdingen summte das vor sich hin, was er von der Melodie von
Biterolfs Klagelied behalten hatte.
»Welche von den Frauen gefällt dir am besten?«, fragte er
unvermittelt. »Man muss doch anerkennen, das Weibervolk von der Wartburg trifft
insgesamt ein gutes Mittelmaß. Gesund und üppig sind sie alle, und manche von
ihnen sind regelrecht hübsch.«
Biterolf suchte die trinkenden, essenden, tanzenden und schlafenden
Frauen nach Agnes ab. Als er sie am anderen Ende des Raumes entdeckte,
erwiderte sie seinen Blick und lächelte ihm zum allerersten Mal zu. »Das ist
eine«, sagte Biterolf leise, »mit der ich mein Leben verbringen könnte.«
»Ich sprach eigentlich nur von dieser Nacht«, entgegnete Ofterdingen
und schlug ihm mit der flachen Hand auf den Schenkel. »Aber die ist wirklich
nicht übel. Ein reizendes, nussbraunes Mädchen. Und schöne Brüste. Doch, die
ist ordentlich. Ich wünsche dir viel Glück.«
»Nach Eurem Vortrag könntet Ihr wahrscheinlich jede Frau aus diesem
Raum haben«, sagte Biterolf.
»Ja. Aber ich habe noch nicht gewählt.«
Die Feiernden waren inzwischen müde geworden. Einige hatten sich in
ihre Kammern zurückgezogen oder waren vor Ort auf dem Stroh eingeschlafen.
Ofterdingen trug Konrad auf, sanftere Melodien zu spielen. Konrad, dessen
Finger bei den letzten Stücken schwer geworden waren, nahm die Anweisung
dankbar entgegen.
Biterolf ging erneut Wasser abschlagen. Als er zurückkehrte, fand er
Ofterdingen und Agnes ins Gespräch
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