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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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entschuldigen.«
    »Natürlich muss ich das. Und das, nachdem ich dich erst heute Mittag
so schmerzlich an deinen Sohn erinnert habe!«
    »Es tut nicht mehr weh.«
    »Aber du hast vorhin ein Gesicht gezogen«, entgegnete er langsam,
»als würde es noch wehtun.«
    Sie schwieg. Er schwieg mit ihr. Er hätte einiges darum gegeben,
diesen Moment im Warmen zu erleben.
    »Er war rund und rosig«, sagte sie. »Er hat einmal die Augen
aufgeschlagen und dann nie wieder. Als der Kaplan eintraf, war er längst tot.
Er hat die Welt in Sünde verlassen, ohne Taufe, namenlos, vom Himmelreich
ausgeschlossen, seinem Vater ebenso fern wie seiner Mutter. Keinen von uns
beiden wird er je wiedersehen. Limbus hat der Kaplan
den Ort genannt, wo seine Seele jetzt weilt. Er hat gesagt, er würde dort nicht
leiden.«
    »Ich bin mir sicher, der Kaplan hat recht.«
    »Ich nicht.«
    Sie schwiegen erneut. Da fortwährend alles falsch war, was Biterolf
sagte, beschloss er, künftig nichts oder zumindest weniger zu sagen.
    »Ich wirke wahrscheinlich etwas ruppig?«, fragte sie.
    »Mitunter.«
    »Verzeiht. Das habt Ihr nicht verdient. Ich habe mir ein Verhalten
angewöhnt, das Menschen wie Euch, gefühlvollen Menschen, nicht gerecht wird.«
    Sobald Biterolf lächelte, war das Klappern seiner Zähne zu hören. Er
presste die Lippen wieder aufeinander.
    »Gehen wir hinein. Ihr erfriert noch.«
    Rupert hatte abseits in einer Nische am Herd bei den Hunden
Platz genommen. Konrad musste fiedeln. Gerhard Atze hatte seinen Verband gelöst
und zeigte den Stumpf seines gewesenen Mittelfingers herum. Ofterdingen, wieder
bekleidet, hatte sich mit drei Thüringern auf ein Glücksspiel eingelassen. Auf
der Tafel lagen drei Würfel, einige Pfennige und sein Mantel. Als Biterolf wieder
in die Küche trat, sprang Ofterdingen auf, drängte an Agnes vorbei und umarmte
ihn.
    » Frater in cantu! Ich habe dir noch gar
nicht für dein Lied danken können!«
    »Ich muss euch warnen«, raunte ihm Biterolf zu. »Mir wurde gesagt,
dass einem hier ungleiche Würfel vorgelegt werden.«
    »Zu spät, den Mantel bin ich los«, erwiderte Ofterdingen und lachte.
»Der Teufel auch, ich bin wie Christus, um dessen Gewand die Legionäre unterm
Kreuz würfeln! Kein Wunder, dass der Wein hier wie Essig schmeckt! – Komm, wir
setzen uns.«
    Ofterdingen führte ihn fort von den Würfelnden auf eine Bank an der
Wand. Einem der Knaben befahl er, ihnen von irgendwo zwei Becher und einen
vollen Krug Wein aufzutreiben. »Obwohl es für dich eher Skaldenmet sein sollte,
mein junger Freund.«
    »Was?«
    »Skaldenmet. Ein Gemisch aus Honig und dem Blut des Weisesten aller
Männer; von Zwergen gebraut, von Odin nach Asgard entführt. Wer davon trinkt,
wird zum vollendeten Dichter. Den Zwergentrank hättest du bitter nötig, um
übermorgen am Leben zu bleiben.«
    Biterolf schnürte sich der Hals zu. »Habt Ihr mir nicht gerade für
mein Lied gedankt?«
    »Danken und loben sind zwei unterschiedliche Dinge. So ein
gefühliger Text, eine simple Melodie dazu, das mag für den Tanz um die
Dorflinde genügen. Aber hier hast du dich wohl oder übel auf einen Wettstreit
mit den größten Sängern des Reiches eingelassen. Da wirst du mehr bieten müssen
als so ein Mailiedchen mit Sonne, Wonne . Besser, du
hättest gleich auf Wolfram gehört und deinen Handschuh nicht mit in die Runde
geworfen.« Der Wein wurde herbeigebracht, und Ofterdingen schenkte beiden davon
ein. »Du siehst gut aus und bist jung – warum musst du überhaupt singen? Es ist
so wenig einträglich. Werd doch Ministeriale oder Forstmeister oder was weiß
ich.«
    »Der Gesang ist meine Berufung!«, protestierte Biterolf.
    Ofterdingen zuckte mit den Schultern. »Dann genieß deine letzten
Tage.« Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. »Nimm es mir nicht übel.
Ich wünsche dir wirklich alles Gute. Und wenn ich dir irgend helfen kann, dann
lass es mich wissen. Wir kennen uns zwar erst einen Tag, aber von allen
Konkurrenten bist du mir der Liebenswerteste, Rudolf.«
    »Biterolf.«
    »Genau. Gott, ich hoffe wirklich, es erwischt den Schreiber. Das
wäre mir ein innerer Ostertag.«
    »Was macht Euch denn so sicher, dass Ihr nicht verliert?«
    »Warum fragst du? Du warst doch den ganzen Abend hier. Du hast
gesehen, wie ich diese Menschen gebannt habe.«
    »Aber Ihr werdet vor dem Landgrafen doch sicherlich nicht … diese
Lieder singen?«
    Ofterdingen lachte laut auf. »Gott behüte! Die Gesichter möchte ich
sehen! Den Hoheiten eine

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