Krieg der Sänger
war, hatte er es mit Tinte auf Pergament
gebannt.
Wolfram las und erschrak vor den Zeugnissen seiner eigenen Wollust.
Wären die Lieder weniger schön gewesen, er hätte sie verbrennen müssen. Er
dankte dem Himmel für den Fingerzeig im Rosengarten und wies Friedrich und
Johann an, den Aufbruch vorzubereiten.
Hermann von Thüringen bedauerte Wolframs Entschluss, die Wartburg zu
verlassen, und konnte nur dadurch getröstet werden, dass Wolfram ihm seinen
unvollendeten Parzival zur Verwahrung gab. In diesen
ersten sechs Kapiteln lag das Versprechen, dass der Sänger zurückkehren würde
auf die deutsche Musenburg und das Werk vollenden, wie vor ihm Heinrich von
Veldeke seinen Eneasromanund Herbort von Fritzlar
sein Epos vom Untergang Trojas. Zu allem Überfluss dankte Hermann ihm dafür,
seiner Frau so ritterlich Gesellschaft geleistet zu haben in der langen Zeit,
die er im Gelobten Land gekämpft hatte. Sophia und Wolfram wagten kaum,
einander in die Augen zu sehen. Das Lehen, das Hermann ihm antrug, schlug der
Eschenbacher aus.
Trübsinnig ritten Wolfram und seine Begleiter in den Herbst hinaus.
Schon bei den Nibelungen war ihm eine Frau dazwischengekommen. Die Frauen
hatten ihm selten Freude gebracht und niemals Freude von Dauer. Liebe ohne Leid
konnte nicht sein. Er musste lernen, sosehr er sie auch liebte, ganz von den
Frauen zu lassen.
Bereits im Tal stellte sich die Frage, welche Richtung man
einschlagen sollte. Hier in Eisenach kreuzten sich die wichtigsten Straßen des
Reiches, von Frankfurt nach Breslau und von Nürnberg nach Hamburg. Wolfram
konnte sich das Kreuz an den Mantel heften und dem nächsten Heer nach Israel
anschließen, um dort seine Sünden auszulöschen, aber was Heinrich ihm von Akkon
erzählt hatte, klang eher danach, als würde man dort weitere Sünden auf sich
häufen. Er konnte sich die Muschel an den Mantel heften und zum Grab des
heiligen Jakobus nach Santiago pilgern. Er konnte in die Kriegsdienste König
Philipps stoßen oder in die des Gegenkönigs Otto, aber Staufer wie Welfe waren
ihm gleichermaßen unleidlich. Oder er konnte heimkehren auf seine enge,
armselige Waldburg im Fränkischen und seinem Bruder bei Finanzen und Verwaltung
zur Hand gehen.
Ein Specht im Wald, den man zwar nicht sehen, wohl aber hören
konnte, wies ihm letztlich den Weg: Durch sein unablässiges Klopfen erinnerte
er Wolfram an das Gebot, den Tag in ununterbrochenem Gebet zu verbringen, um
den Teufel zu finden und zu vernichten, wie der Specht das teuflische Gewürm
mit ununterbrochenem Klopfen unter der Borke auffindet und vernichtet. Wolfram
musste in ein Kloster. Er entband Friedrich und Johann ihrer Dienste, sosehr
diese auch schimpften und greinten. Am Namenstag des heiligen Martin traf er in
der Abtei von Hersfeld ein und wurde folglich unter dem Namen Martin Gottes Dienstmann.
Von Fiedel und Pferd, von Waffen und Haupthaar hatte sich
Wolfram trennen müssen. Er lernte Choräle, Demut, harte Arbeit und Latein und
erfreute sich an einem Tagesablauf von Laudes bis Komplet, der ihm keine Fragen
und keine Freizeit ließ. Er las nicht mehr selbst, sondern bekam vorgelesen. Er
musste nicht einmal mehr selbst denken, denn die Schrift wurde weise für ihn
ausgelegt. Außer der Heiligen Jungfrau bekam er kein Weib zu Gesicht. Der Krieg
tobte unbeachtet vor den Toren des Klosters.
Einige Monate genoss Wolfram dieses Leben, aber im Frühjahr konnte
er die eigenen Gedanken nicht länger im Zaum halten. Er begann, den Patres zu
widersprechen, und musste sich als Laie dafür schelten lassen. Die Bücher aus
der Bibliothek wurden ihm vorenthalten: Die Abtei schien Wissen wahren, nicht
mehren zu wollen. Wolfram erkannte, dass – entgegen der allgemeinen Auffassung – die Mönche gottloser waren, je höher der Rang war, den sie in der Abtei
bekleideten. Der Abt war der Übelste. Gar nicht auszudenken, was für ein Mensch
der Papst sein mochte.
Als er unter seinen Mitbrüdern bei der Feldarbeit, im Kreuzgang oder
im Refektorium die Autorität des Stellvertreters Christi infrage stellte oder
das Recht der Bischöfe, Heere auszuheben und Krieg zu führen; als er die
Unmenschlichkeit der Juden und Heiden anzweifelte; als er behauptete, es brauche
nicht notwendig priesterliche Mittler und Interpreten, um mit Gott zu sprechen
und seine Schrift zu lesen – da riet man ihm im Guten, sein Leben und sein
Seelenheil nicht mit häretischen Gedanken aufs Spiel zu setzen.
Sein Pferd war inzwischen als Ackergaul
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