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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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lächelten, andere gar,
Hermann von Thüringen etwa, Tränen vergossen über das Unrecht, das dem Helden
von Akkon in Wien widerfahren war. Nur in den Ohren von Herzog Leopold und
Kaiser Heinrich mussten Richards Worte brennen wie Gift. Der Kaiser ließ die
Verhandlung unter einem Vorwand abbrechen und vertagen, ehe Richard noch mehr
Schaden anrichten konnte. Als Richard abgeführt wurde, zwinkerte er Reinmar zu.
Was war dieser König für eine Lichtgestalt.
    Am darauffolgenden Morgen bestellte Herzog Leopold seinen
Hofsänger zu sich. Reinmar hatte immer gut mit seinem Dienstherrn gekonnt und
selten schlecht über ihn gedacht, aber jetzt, im Vergleich zu Richard, dem
Löwen unter den Königen, erschien ihm dieser Leopold wie eine fette Kröte:
unbehaart, pockig, kurz und kurzatmig. Ein Wunder, wie so einer die Schlachten
im Heiligen Land hatte überstehen können. Dieser Mann war nicht würdig, Richard
die Sohlen der Stiefel zu küssen, und hatte ihn doch einsperren lassen.
    »Du willst sicherlich schnell wieder zu deinem neuen Sangesbruder«,
sagte der Herzog mit so leichtem Spott, dass weniger feine Ohren als Reinmars
ihn nicht ausgemacht hätten, »deshalb will ich dich nicht lange aufhalten. Die
gestrige Verhandlung verlief, wie du dir denken kannst, ganz und gar nicht nach
unseren Vorstellungen. Noch eine halbe Stunde länger, und Richard hätte selbst
mich und den Kaiser noch von seiner Unschuld überzeugt. Was meinst du, mein
lieber Reinmar: Klagen wir Richard zu Unrecht an? Ist er tatsächlich
unschuldig?«
    Reinmar war nicht rasch genug mit der Antwort. Leopold winkte nachsichtig
ab. »Warum sollte es dir anders ergangen sein als allen deutschen Fürsten!
Natürlich hat er auch dich verzaubert! Du musst nicht antworten. Aber ganz
gleich, ob Richard nun unschuldig ist oder nicht und ob ich nicht lieber
großzügig darüber hinwegsehen sollte, was er in Akkon mit Österreichs schwarzem
Adler getan hat – wir brauchen, sagen wir es ganz offen, das Geld aus den
englischen Schatztruhen. Heinrich muss seine Söldner bezahlen, und ich will
Wien erneuern. Deswegen muss Richard verurteilt werden;
und zwar geschlossen, von allen Fürsten des Römischen Reiches, sodass weder in
Rom noch anderswo allzu großes Geschrei entsteht. Nach dem gestrigen Debakel
bleibt leider keine Wahl, als uns die Zustimmung der Fürsten teuer zu
erkaufen.«
    Jetzt rückte Leopold in seinem Sessel etwas näher an Reinmar heran.
»Und du, mein lieber Reinmar, wirst die kommenden zwei Tage nutzen, schlecht
über Richard zu sprechen. Wirst von seinem Hochmut erzählen, von seiner
Verachtung für uns Deutsche und von seiner Kumpanei mit dem Papst. Und dass er
glaubt, die dummen deutschen Fürsten mit seiner Verteidigung schon in der
Tasche zu haben, um sie dann von der Sicherheit des Schiffes aus, das ihn
zurück nach England trägt, zu verhöhnen wie einst Odysseus den Zyklopen. Das wirst
du tun, Reinmar, und zugleich den Löwenkönig bei euren Stelldicheins in
falscher Sicherheit wiegen.«
    »Mein hoher Herr –«
    »Und als Konsequenz werde nicht nur ich unvorstellbar reich, sondern
auch du, mein lieber Reinmar. Auch du sollst deinen Anteil vom englischen
Silber bekommen, und glaub mir, es wird mehr sein, als du jemals in deinem
Leben besessen hast.«
    Reinmar gehorchte den Wünschen des Herzogs. Als Richard ihn eine
Stunde später empfing – bestens gelaunt und voller Zuversicht, bald und ohne
Auflagen entlassen zu werden –, erstaunte Reinmar darüber, wie leicht man mit
der Lüge singen konnte. Den Rest des Tages verleumdete er den König bei den
bestochenen Fürsten, und zwei Tage darauf wurde Richard den Wünschen des
Kaisers entsprechend verurteilt, ohne dass irgendjemand sich darüber empörte.
Das vollkommen entgeisterte Gesicht war das Letzte, das Reinmar von Richard
Löwenherz sah.
    Einige Tage später war da ein Makel in Reinmars linkem Auge gewesen.
Wie eine Illustration in einem Buch, in die ein unvorsichtiger Schreiber mit
seiner Feder ein winziges Loch gestoßen hatte, war auch Reinmars Blick nun
durch ein winziges Loch gestört, das blieb, wohin er auch schaute und sosehr er
auch rieb. In den Wochen und Monaten nach Hagenau wuchs das Loch, als würde die
Illustration weiter einreißen, und auch das andere Auge wurde befallen.
Zeitweilig glaubte Reinmar, er müsse wahnsinnig werden, und am Ende zog er
sogar vor, gar nichts zu sehen statt eines Bildes, dessen Mitte fehlte, sodass
man an den Gegenständen vorbeisehen

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