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Krieg der Sänger

Krieg der Sänger

Titel: Krieg der Sänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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schlagartig
seine Hand hob, um seinen Kanzler zu unterbrechen.
    »Beleidigen wir Walther nicht noch mehr, als wir es ohnehin schon
getan haben«, sagte der Landgraf. »Dass er uns drei hier versammelt hat, lässt
keinen Zweifel zu. – Ich bedauere, Walther, dass du der Sache auf den Grund
gekommen bist. Wir hätten es besser wissen müssen, ausgerechnet den Scharfsinn
des von der Vogelweide herauszufordern. Andererseits: Wenn Meister Stempfels
Schwert nicht eine derartige Odyssee hinter sich gelegt hätte, hättest du
gewisse Fragen vielleicht gar nicht gestellt.«
    »Aber jetzt ist das Schwert zurück«, versetzte Walther, »und
Heinrichs Kopf kann rollen.«
    »Du kennst deinen Lehnsherrn«, seufzte Hermann. »Ich liebe die
Kunst, aber ich dulde nicht, dass sie gegen mich verwendet wird. Was der
Ofterdinger mir in Ichtershausen angetan hat, ist unverzeihlich. Er hat mich
und mein Banner verunglimpft. Ich darf diesen Spott nicht ungesühnt lassen.«
    »Ihr hättet ein paar Strauchdiebe dingen können, Hoheit, ihm die
Zunge aus dem Maul zu schneiden.«
    »Ob taub, stumm oder blind – Heinrich von Ofterdingen würde immer
einen Weg finden, weiter zu dichten. Und wenn er dafür seine Seele dem Teufel
verkaufen müsste.«
    »Und was, glaubt Ihr, hält mich davon ab, dass ich gegen Heinrichs
Enthauptung rebelliere?«, fragte Walther.
    »Thüringens Truhen sind reich gefüllt«, sagte der Schreiber, was ihm
abermals eine Rüge seines Herrn einbrachte.
    »Ich bin nicht käuflich«, fauchte Walther. »Im Gegensatz zu anderen
in diesem Raum.«
    »Ich hatte meine Gründe«, erwiderte Reinmar gelassen.
    »Ich werde weder versuchen, dich zu kaufen«, sagte Hermann zu
Walther, »noch werde ich dir deine Lehnspflicht aufnötigen. Aber entsinne dich,
wen du da retten würdest: den Mann, der dich zeit seines Lebens verspottet hat.
Du selbst wolltest, dass der Wettstreit Ofterdingens Ende ist, und es war
beileibe nicht das erste Mal, dass du ihm die Pest an den Hals gewünscht hast.
Erinnere dich an Palästina.«
    »Ungern, Euer Hoheit.«
    »Wenn Ihr Euch auflehnen würdet, wäre außerdem Eure Sängerkrone
verloren«, fügte der Schreiber hinzu.
    »Was für ein Verlust!«, höhnte Walther. »Nichts ist diese Krone
wert! Nichts! Ich sollte diesen falschen Lorbeer zurück in die Küche bringen,
aber ich fürchte, er würde uns die Speise verderben!«
    »Es stimmt nicht, dass die Krone nichts wert ist«, sagte Reinmar.
»Nur der Verlierer der Sängerstreits stand im Vorhinein fest, aber nicht der
Gewinner. Ihn habe ich frei gekürt. Und von allen Vorträgen hat mir der deinige
am besten gefallen. Mein Ehrenwort darauf: Du bist, wenn es nach mir geht, der
König der Sänger.«
    »Heuchler! Von deiner Zunge tropft Honig, aber dein Herz ist Galle!«
    »Weshalb glaubst du, dass ich deine Lieder nicht schätze?«
    »Weil du es selbst immer gesagt hast! Seit ich aus deinem Schatten
getreten bin, parodierst du meine Verse und verreißt meine Erfolge.«
    »Du bist immer das Opfer, nicht wahr?«, hielt Reinmar dagegen. »Wer
hat denn damit angefangen? Du hast mich, den Älteren, den Lehrer, zum
poetischen Kräftemessen herausgefordert, und ich habe die Herausforderung
beantwortet. Und haben wir beide nicht prächtig davon profitiert? Nichts
verkauft sich in der Kunst besser als Rivalität; nichts hören die Menschen
lieber als Sänger, die wie die wütenden Gockel aufeinander einhacken. Es ist
wie bei der Tjost: Wie viele Ritter gibt es nicht, die einander lebenslange
Feindschaft schwören; die als vermeintliche Kontrahenten von Turnier zu Turnier
ziehen und sich die übelsten Schmähworte an den Kopf werfen, dem Publikum zur
Freude, während sie im Anschluss an den Lanzengang das Bier gemeinsam trinken? – Nur war an Bier und Freundschaft mit dir nicht zu denken, weil du in deiner
Empfindsamkeit alle Angriffe von Anfang an persönlich genommen hast.« Reinmar
schmunzelte. »Jetzt allerdings gäbe ich einiges dafür, dein Gesicht sehen zu
können.«
    »Warum höre ich davon zum ersten Mal?«, fragte Walther streng.
    »Weil ich bedauerlicherweise versäumt habe, rechtzeitig mit dir
darüber zu sprechen. Und weil deine Angriffe so scharf wurden, dass auch ich
eines Tages nicht mehr umhinkonnte, sie persönlich zu nehmen.« Reinmar
räusperte sich. »Aber das ändert nichts daran, dass ich dich für den größten
lebenden Sänger halte – umso mehr, als mein eigener Brunnen längst versiegt
ist.«
    Während Walther schweigend den Worten des

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