Krieg der Sänger
und … die Amme.«
»Agnes.«
»Agnes, genau.«
Biterolf ballte die Hand zur Faust und schlug sie Ofterdingen ins
Gesicht. Der Österreicher, für den der Fausthieb ebenso überraschend kam wie
für alle anderen, Biterolf inbegriffen, taumelte einen Schritt nach hinten in
die Arme von Wolfram. Alle starrten Biterolf an, der wiederum seine Faust
anstarrte, als hätte jemand anderes sie geführt. Anstatt sich zu entschuldigen,
sagte er nur: »Wir müssen uns wirklich beeilen.«
Während sich Ofterdingen das Kinn rieb, trugen sie die beiden
Wachmänner in die Zelle und verschlossen die Riegel der Tür. Konrad reichte
seinem Herrn einen Dolch und ein Schwert samt Scheide. Dann verließen sie den
Südturm. Ofterdingen fluchte über das Wetter, aber der Sturmwind erstickte seinen
Fluch. Im Laufschritt überquerten sie die Hauptburg, den Wind diesmal in ihrem
Rücken.
Kurz vor dem Stall blieb Wolfram unvermittelt stehen. Die anderen
folgten seinem Blick. Zu ihrem Entsetzen löste sich aus dem Schatten des
Torbogens eine große Anzahl von bewaffneten Männern und reihte sich entlang der
Mauer auf, während immer weitere nachströmten. Alle trugen Armbrüste. Die
komplette Rüstkammer der Wartburg schien sich in ihren Händen befinden. Wolfram
wirbelte herum, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie auch aus der Kapelle und
aus dem Stall Gruppen von Schützen traten. Man wusste nicht, in welche Richtung
man sich wenden sollte. Die kleine Truppe der Befreier war bald umstellt – vor
sich die Thüringer, im Rücken der Palas – und zu überrascht, in dieser kurzen
Zeit noch irgendeine Bresche zu schlagen. Niemand sagte ein Wort, aber Biterolf
konnte förmlich hören, wie Wolframs Kiefer wütend mahlten.
In Begleitung weiterer Ritter trat nun der Landgraf durch das Tor.
Bei ihm war auch Wolframs Singerknabe, dem man die Hände hinter dem Rücken
gebunden hatte. Hermanns Freude, die Entführer des Ofterdingers gefasst zu
haben, wich der Enttäuschung darüber, auch Wolfram unter ihnen zu entdecken.
»Heinrich von Ofterdingen wird seinem Urteil nicht entgehen«, rief er ihnen
über den Hof zu, die Hände um den Mund gewölbt. »Unglaublich, dass ihr
leichtsinnig genug wart, ihn aus dem Kerker zu holen. Wolfram, Biterolf: Ich
bin nicht gerade erfreut über euren Ungehorsam, aber ich respektiere euren
Anstand, einen Sangesbruder retten zu wollen. Ich habe Nachsicht mit euch, und
selbstverständlich auch mit deinen Knappen, Wolfram. Ich lasse diesen
mitternächtlichen Streich ungesühnt. Meine eigenen Gefolgsleute freilich
bleiben nicht straffrei.«
Rumolt und Gregor sah man an, dass sie um die Bedeutung dieser Worte
wussten. Agnes hingegen blieb unberührt. In Wolfram arbeitete es.
»Soll ich ihm antworten?«, fragte Ofterdingen.
»Du hältst jetzt dein Maul«, versetzte Wolfram. »Ich muss
nachdenken.«
»Wir verkünden die Wahrheit!«, schlug Biterolf vor, der nah an
Wolfram herangehen musste, um im Schneetreiben verstanden zu werden. »Wir rufen
über den Hof, was wir von ihren Machenschaften wissen, und stellen ihn damit
bloß!«
»Schon nach dem ersten Satz würde er uns mit Bolzen spicken lassen«,
entgegnete Wolfram. »Das sind zwei Dutzend Armbrüste. Ehe er zulässt, dass wir
ihn verraten, bringt er uns alle zum Schweigen.«
»Wir ziehen uns in den Palas zurück und verschanzen uns dort«, sagte
Ofterdingen.
»Bis wir die Tür erreicht haben, sind wir tot.«
»Ihr hättet Schilde mitnehmen sollen.«
»Das seh ich selbst, du Schlaukopf.« Über den Hof rief Wolfram: »Ich
ersuche Euer Hoheit, uns alle ziehen zu lassen!«
»Unmöglich, bei meiner Ehre«, antwortete Hermann. »Legt die Waffen
nieder, Wolfram, der Ofterdinger ist es nicht wert.«
»Aber wir haben einen Eid geschworen, bei unserer Ehre als Sänger,
einander beizustehen – auf Euer Hoheit ausdrücklichen Wunsch.«
Hermann hob beide Hände wie ein Priester beim Segen. »Ritterlich
gesprochen. Ich schätze Eure Aufrichtigkeit! Und ich entbinde Euch von Eurem
Eid, damit Ihr ihn nicht brechen müsst.«
»Das könnt Ihr nicht, Euer Hoheit.«
Von den meisten unbemerkt öffnete sich die große Tür des Palas, und
eine kleine Gestalt trat heraus. Es war Irmgard, die Tochter des Landgrafen, in
ihren Schlafgewändern, ein großes Fell über die Schultern geworfen.
Offensichtlich hatte ihre Neugier über ein Verbot gesiegt, nach draußen zu
treten. Schon einen Moment später war eine Magd bei ihr, sie zurück ins Haus zu
zerren.
Aber Heinrich von
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