Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
würde, wenn sie schließlich diesen Worten Erruns zustimmte.
» Andernfalls vergeuden wir beide hier nur unsere Zeit, Repräsentantin.«
Bei einem von uns ist das zweifellos der Fall, dachte Filhyn. Sie hob den Kopf und sah, wie Kemracht ihr aus sicherer Entfernung ein Zeichen gab. » Ganz und gar nicht, Repräsentant«, erwiderte sie und richtete sich auf. » Diese Begegnung war sehr aufschlussreich, aber wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden… Ich muss gehen. Duschen Sie mit mir?«
Der alte Mann musterte sie kurz. » Danke, nein. Ich bleibe noch ein bisschen hier.« Er hielt den Blick auf sie gerichtet. » Machen Sie keinen Ärger, Filhyn«, sagte er. » Und glauben Sie nicht alles, was man Ihnen sagt. Dieser Weg führt nicht zu Wahrheit, sondern zu Verwirrung und Durcheinander.«
» Ich versichere Ihnen, dass ich das nicht tun werde«, sagte Filhyn. Sie machte einen knappen Knicks, indem sie kurz die Vorderbeine beugte. » Wir sehen uns bei der Nachmittagssitzung, Repräsentant.«
Er war einer von nur zwei Überlebenden seines Trupps, und die ganze Streitmacht war auf sechs geschrumpft. Die anderen waren den aufgestiegenen Wächtern zum Opfer gefallen. Vatueils Marines verfügten über bessere Waffen, und im Kampf Mann gegen Mann hatten sie kaum etwas zu befürchten, aber die Gruppe der Wächter war größer gewesen, als es zunächst den Anschein gehabt hatte, und als Vatueil und die Seinen durch die wirre Masse ihrer Körper und Waffen geglitten waren, stießen sie auf Abwehrnetze mit Dornen, Gift und tödlicher Elektrizität. Es dauerte eine Weile, diese Netze aufzuschneiden, und davon aufgehalten, waren sie im matten grünen Licht von unten zur Zielscheibe eines Angriffs der letzten Wächter von oben geworden. Weitere Marines waren gefallen: Sie lösten sich auf oder fielen zuckend in die Tiefe.
Und dann waren sie durch, sechs von ihnen. Sie sanken auf die grün glänzende Oberfläche, breiteten sich aus, gaben ihre Lösemittel frei und wurden Teil der transparenten Wand.
Sie durchdrangen sie und fielen– das falsche Eis blieb über ihnen zurück. Jetzt befanden sie sich in einem riesigen Gewölbe, wie im Innern eines vielschichtigen Mondes. Die Löcher über ihnen schlossen sich schnell wieder und sahen aus wie von Wolken umschmiegte Hämatome. Auch ihre falschen Gestalten veränderten sich. Aus hauchdünnen Membranen wurden feste Formen; gezackte Speerspitzen stürzten in die Tiefe und beschleunigten. Durch Vakuum fielen sie, einer Landschaft entgegen, die eine Mischung aus Stadt und riesiger Industrieanlage zu sein schien: ein riesiges Gebilde aus Lichtern, Rastern und wogenden Leuchtmustern, Flackern, wehenden Rauch- und Dampfwolken, Flüssen, Springbrunnen und Strudeln aus Licht.
Es ist wie ein Traum, dachte Vatueil. Ein Traum vom Fliegen und Fallen…
Er rief sich zur Ordnung, sah sich um, zog Bilanz und bewertete die Situation. Noch fünf, außer ihm selbst. Rein theoretisch war nur einer nötig. Doch in der Praxis, beziehungsweise in den besten Simulationen dieses Angriffs, ergab eine aus zwölf Soldaten bestehende Gruppe eine Erfolgswahrscheinlichkeit von achtzig Prozent. Schrumpfte die Gruppe auf neun, reduzierte sich die Wahrscheinlichkeit auf fünfundfünfzig Prozent. Mit nur noch sechs Kämpfern für den finalen Angriff standen die Aussichten schlecht. Die Simulationsexperten hatten eine Gruppe von weniger als acht für den letzten Vorstoß nicht einmal in Betracht ziehen wollen.
Aber unmöglich war es nicht. Und je weniger übrig blieben, desto mehr Ruhm kam ihnen zu.
Die gewaltige, funkelnde Landschaft war vielleicht das Schönste, was Vatueil in seiner langen, abwechslungsreichen Existenz gesehen hatte. Er empfand es als herzzerreißend, dass sie hierhergekommen waren, um sie zu zerstören.
Zeugen-Sondersitzungen im Versammlungssaal waren selten, aber derzeit fanden ohnehin keine allzu wichtigen Beratungen statt, denn viele Repräsentanten waren im Urlaub oder auf Geschäftsreisen. Filhyn hatte alle ihre Beziehungen spielen lassen und Gefallen einfordern müssen, um diese Sitzung zu arrangieren, nicht nur so kurzfristig, sondern überhaupt.
Der Zeuge brauchte zum Glück keine besonderen Vorbereitungen, denn dafür reichte die Zeit nicht aus.
» Prin«, hatte Filhyn kurz vor der Sitzung zu ihm gesagt, als sie im Vorzimmer warteten und Errun und seine Leute versuchten, die Sondersitzung annullieren oder verschieben zu lassen, » sind Sie wirklich dazu imstande?«
Sie wusste,
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