Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
wie einschüchternd es sein konnte, im Saal zu stehen, alle Blicke auf sich gerichtet zu fühlen und zu versuchen, das eigene Anliegen vorzutragen, in dem Wissen, dass Hunderte von Repräsentanten einen beobachteten. Hinzu kamen zig Millionen Zuschauer systemweit, die das Geschehen im Saal in Echtzeit verfolgten, und Milliarden weitere, die später hörten und sahen, was man gesagt hatte, und wie, mit welchem Gesichtsausdruck– vielleicht sogar Hunderte von Milliarden, wenn das, was man sagte, von großer Bedeutung war oder von den Nachrichtenkanälen für wichtig genug gehalten wurde.
» Ich schaffe es«, hatte Prin geantwortet. Seine Augen wirkten zu alt, fand Filhyn, obwohl das vielleicht nur ihr Eindruck war, denn inzwischen wusste sie ein wenig von dem, was er hinter sich hatte.
» Tief atmen«, hatte sie ihm geraten. » Konzentrieren Sie sich auf eine Person, während Sie sprechen. Ignorieren Sie die anderen und vergessen Sie die Kameras.«
Prin hatte genickt.
Sie hoffte, dass es ihm gelang, die Ruhe zu bewahren. Eine seltsame Aufregung herrschte diesmal im Saal– einige Nachzügler eilten zu ihren Plätzen, Repräsentanten, die am Morgen in der Stadt beschäftigt gewesen waren und doch noch Zeit gefunden hatten, an dieser Sondersitzung teilzunehmen. In den Mediengalerien waren jetzt einige Journalistenplätze und Kamerapositionen besetzt, wo sich am Morgen niemand befunden hatte. Die Gerüchteküchen hatten offenbar gut funktioniert, und selbst wenn weniger als ein Drittel der Repräsentanten anwesend waren, konnte der Versammlungssaal sehr imposant sein.
Letztendlich waren sie Herdentiere, ihrer Zivilisation ungeachtet, und während der Jahrmillionen ihrer Existenz als Spezies war es für ein Individuum oft tödlich gewesen, von den anderen separiert und aus der Menge herausgegriffen zu werden. Filhyn vermutete, dass es andere Völker, die nicht auf eine Herden-Vergangenheit zurückblickten, leichter hatten. Für die Raubtiere, die sich von den Pavuleanern ernährt hatten, wäre es bestimmt einfacher gewesen, hätten sie es zur dominierenden Lebensform des Planeten geschafft. Aber dieser Platz blieb ihnen verwehrt. Trotz ihrer Wildheit hatten sie jenen Kampf verloren, waren langsam ins Abseits gedrängt worden und schließlich fast ausgestorben; die letzten Exemplare lebten in Naturschutzgebieten und Zoos.
Wie sich herausstellte, hätte sich Filhyn keine Sorgen machen müssen.
Sie lehnte sich zurück, hörte zu, weinte oft – ganz offen, ohne zu versuchen, die Tränen zurückzuhalten – und beobachtete, welche Wirkung Prins ruhige, ernste Schilderungen auf den Saal erzielten. Die nackten Fakten waren schlimm genug – später stellte Filhyn fest, dass die meisten Nachrichtenkanäle Zensur geübt und die scheußlicheren Einzelheiten weggelassen hatten. Aber zu den wirklich erdrückenden und wirkungsvollsten Momenten kam es, als die Traditionalistische Partei im Allgemeinen und Repräsentant Errun im Besonderen Prin ins Kreuzverhör nahmen.
Erwartete er ernsthaft, dass man ihm all diese Lügen abnahm?
Es waren keine Lügen, erwiderte Prin. Er wünschte, es wären Lügen. Und er rechnete nicht unbedingt damit, dass man ihm einfach so glaubte, denn er wusste sehr wohl, wie monströs und grausam alles klang, und wie viele Interessengruppen es gab, die nicht wollten, dass die Wahrheit bekannt wurde. Er wusste auch, dass diese Gruppen alles tun würden, um ihn persönlich in Misskredit zu bringen und seine Aussagen unglaubwürdig zu machen.
Wie konnte er sicher sein, dass dies nicht ein besonders ausgefallener Albtraum war oder eine von Drogen verursachte Halluzination?
Es ließ sich nicht leugnen, dass Prin wochenlang fort gewesen war, mit seinem Körper in einem voll lizenzierten medizinischen Institut von der Art, wie es viele Repräsentanten im Lauf der Jahre für unterschiedliche Behandlungen genutzt hatten. Er kannte keinen Albtraum, der so lange dauerte. Ob die Repräsentanten von so etwas wussten?
Er stritt also nicht ab, dass es sich um eine auf Drogen zurückgehende Halluzination handeln könnte?
Das stritt er sehr wohl ab. Er nahm keine Drogen. Er hatte nie welche genommen, und auch keine ähnlich wirkenden Medikamente, obwohl ihm die Ärzte dazu rieten, damit ihn die erlebten Schrecken nicht in seinen Träumen heimsuchten. Ob eine Blutanalyse die Repräsentanten überzeugen würde?
Ah, jetzt gab er also zu, dass er doch Albträume hatte!
Wie er bereits gesagt hatte, als Folge des
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