Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
Lebens wie eine Prinzessin zu verbringen. Vielleicht, dachte Lededje, ein Versuch, sie von ihrem Vorhaben abzulenken.
Sie trainierte, sie lernte– hauptsächlich befasste sie sich mit den Dingen, die die Kultur über Veppers, Sichult und das Enablement wusste, und sie hätte gewettet, dass das weitaus mehr war, als Veppers wusste–, sie sprach mit dem immer zur Verfügung stehenden Demeisen, der sofort materialisierte, wenn sie mit ihm reden wollte. Natürlich materialisierte er nicht in dem Sinne; er hatte es ihr erklärt, aber Lededjes Augen waren schon nach wenigen Worten glasig geworden, denn mit solchen technischen Erläuterungen konnte sie nichts anfangen.
Sie hatte, wenn auch widerstrebend, eine virtuelle Tour durch das Schiff unternommen. Eigentlich war sie nur wegen Demeisens jungenhafter Begeisterung dazu bereit gewesen. Die Tour hatte eine Weile gedauert, doch vermutlich nicht so lange, wie es sich angefühlt hatte. Lededje erinnerte sich nur daran, dass das Schiff sich aufteilen und zu einer Art Miniflotte werden konnte, wenn es wollte, in einem Stück aber am leistungsfähigsten war. Es bestand aus sechzehn Komponenten. Oder vielleicht waren es vierundzwanzig. Sie kommentierte Demeisens Erklärungen mit dem erwarteten Oh, Ah und Ach, tatsächlich – in dieser Hinsicht hatte sie reichlich Erfahrung– und ließ es dabei bewenden.
Eine Zeit lang spielte sie mit dem Gedanken, sich Demeisen als Liebhaber zu nehmen. Je sichultianischer er wurde, und je länger sie in der kleinen Kabine festsaß, trotz all der so realistisch wirkenden Landschaftsszenarien, desto attraktiver erschien er ihr und desto verlockender wurde die Idee. Sie vermutete zuerst, dass es für das Schiff bedeutungslos gewesen wäre, nahm dann an, dass es zugestimmt hätte, um ihr einen Wunsch zu erfüllen. Die dritte Möglichkeit bestand darin, dass es ihr den Wunsch stilvoll und mit Feinfühligkeit erfüllt hätte, aus Lust und Laune an dieser neuen Erfahrung. Später fiel ihr noch eine vierte Möglichkeit ein: Vielleicht, vielleicht wäre sie dadurch ein wenig sicherer gewesen und hätte ihrem Plan, Veppers zu töten, eine etwas größere Erfolgsaussicht gegeben.
Bei den Gehirnen, den Hyper- KI s, die das Kommando über die wichtigsten Schiffe der Kultur führten– die praktisch die Schiffe waren –, handelte es sich eindeutig um eigenständige intelligente Wesen. Sie hatten auch Gefühle, von ihrem Intellekt unter Kontrolle gehalten, nicht umgekehrt. Das Schiff hatte bereits angedeutet, dass es dort, wohin es flog, Schwierigkeiten geben konnte– jene Art von Schwierigkeiten, die vielleicht den Einsatz seines großen kriegerischen Potenzials erforderten. Hätte es sich ihr gegenüber nicht ein bisschen mehr verpflichtet gefühlt, wenn es zu Sex mit dem Avatar gekommen wäre?
Wie viel hätte es für das Schiff bedeutet, wenn sie und sein Avatar bumsten? Überhaupt nichts? Oder war es vergleichbar mit einem Menschen, der sein Haustier streichelte, etwas Gutmütiges, Geselliges, Angenehmes, aber ohne irgendetwas, das Gefühle wie Besitz, Engagement, Verpflichtung oder Eifersucht nach sich ziehen mochte?
Es wäre mehr Berechnung als Emotion gewesen; in gewisser Weise hätte sie sich prostituiert. Andererseits, Veppers hatte ihr schon vor langer Zeit jede Möglichkeit genommen, ihre Sexpartner frei zu wählen. Sie hatte sich für ihn prostituieren müssen. Nur ein einziges Mal hatte Lededje Sex gehabt, den sie wirklich haben wollte, in jener einen Nacht an Bord des Allgemeinen Systemschiffs, mit Shokas.
Jedenfalls, sie hatte sich dagegen entschieden, dieses Thema zur Sprache zu bringen. Vielleicht wäre das Schiff aus der Rolle gefallen und wieder so geworden wie während seines Aufenthalts im ASS , bevor es sein Verhalten ganz plötzlich verändert hatte, was Lededje noch immer ein wenig verdächtig fand. Es schien Freude daran gefunden zu haben, Personen zu verletzen. Vielleicht wäre erneut ein solches Gebaren zum Vorschein gekommen; möglicherweise hätte sich das Schiff einen Spaß daraus gemacht, ihr durch seinen Avatar einen Korb zu geben.
Jetzt bot er– oder es– ihr ein Geschenk an, angeblich eine Tätowierung. Lededje saß auf einem von drei Stühlen und hatte sich auf dem Schirm Nachrichtensendungen von Sichult angesehen, als Demeisen hinter ihr erschienen war. Sie beugte sich vor. Das Objekt ruhte in seiner Hand: ein wirres Knäuel aus dünnen, graublauen Fäden, das, wie sie inzwischen wusste, große Ähnlichkeit
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