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Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Krieg der Seelen: Roman (German Edition)

Titel: Krieg der Seelen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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eine offensichtliche Möglichkeit, es herauszufinden.« Er drehte den Knauf. Noch immer abgeschlossen.
    » Bitte, Doktor Miejeyar«, sagte er und nickte ihr zu. » Wenn Sie so freundlich wären…«
    Einige Sekunden lang musterte sie ihn mit ausdrucksloser Miene, griff dann in eine Tasche ihres weißen Kittels, holte einen Schlüssel hervor und warf ihn Vatueil zu. Er fing ihn, schloss die Tür auf und öffnete sie.
    Dr. Miejeyar näherte sich und trat neben ihn, als er ins Freie sah. Wind wehte ins Zimmer, bewegte den Stoff von Vatueils Tarnanzug und zerzauste ihm das Haar.
    Er blickte über eine weite moosgrüne Fläche. Sie wölbte sich, senkte sich sanft einer Wolkenlandschaft aus Weiß auf Blau entgegen. Der grüne Moosteppich erstreckte sich auf dem ebenen Ast eines gewaltigen, unmöglich großen Baums. Überall wuchsen Äste, Zweige, Sprossen und Blätter. Wo sie eben waren, trugen die Äste mehrstöckige Gebäude und breite Straßen für Räderfahrzeuge. Wo sich die Äste nach oben wölbten, wanden sich die Straßen um sie herum, wie spiralförmige Rutschen, und kleinere Gebäude klammerten sich ans löchrige, knotige und knorrige Holz. Die Zweige enthielten Pfade, weitere Häuser, Plattformen, Balkone und Terrassen. Die Sprossen waren groß und stabil genug, um Wege, Spiraltreppen und kleinere Gebäude wie Pavillons zu tragen. Die Blätter waren grün, mit goldenen Untertönen, und so groß wie die Segel von Schiffen. Die kleinen Wagen, Leute, die zu Fuß unterwegs waren, und das Rascheln der segelgroßen Blätter– überall gab es Bewegung.
    Die sanften vertikalen und horizontalen Schwingungen erwiesen sich nun als Auswirkungen des starken Windes.
    Dr. Miejeyar trug jetzt eine Art Flügelanzug, dunkel und voluminös. Vatueil fühlte, wie sich etwas veränderte, und als er an sich herabsah, stellte er fest, dass er in einen ähnlichen Anzug gehüllt war.
    Die junge Ärztin lächelte ihn an. » Bravo, Major Vatueil. Zeit für ein bisschen Entspannung, ja?«
    Er nickte langsam, drehte den Kopf und sah in den Raum, der sich ebenfalls verändert hatte und jetzt voller knolliger, unregelmäßig geformter und bunter Möbel aus Holz war. Das Fenster präsentierte sich als Oval und bot Ausblick auf einen mit Sträuchern und Büschen bewachsenen Garten.
    » Möchten Sie fliegen?«, fragte Dr. Miejeyar und lief über moosbewachsene Borke. Ein vorbeikommender Wagen– mit großen Rädern, offen, wie etwas aus ferner Vergangenheit– hupte laut, als sie über die Straße hinwegsetzte. Dann war sie auf der anderen Seite und verschwand dort, wo sich der Ast nach unten neigte. Vatueil folgte ihr. Für einige Sekunden verlor er sie aus den Augen, und dann sah er sie wieder, mitten in der Luft: Der Stoff ihres Flügelanzugs blähte sich auf, als der Wind sie erfasste, und wie ein Drachen stieg sie auf.
    Als Yime erwachte, wusste sie sofort, dass sie noch schlief. Sie stand auf, ohne ganz sicher zu sein, ob ihre eigene Absicht dahintersteckte oder ob etwas sie aus dem Bett hob– es war schwer zu sagen.
    Dünne schwarze Linien reichten von ihren Händen nach oben. Sie gingen auch von ihren Füßen aus, stellte sie fest, ragten unter dem Saum des Nachthemds hervor. Fäden stiegen von ihren Schultern und dem Kopf auf. Mit einer Hand griff sie nach oben und tastete nach den Fäden, die aus dem Schädel kamen. Einige strafften und andere lockerten sich, als sie den Kopf nach hinten neigte– offenbar war sie zu einer Marionette geworden. Was ihr seltsam erschien, denn von so etwas hatte sie nie zuvor geträumt.
    Sie sah noch immer nach oben, und dort, wo sie die kreuzförmige Kontrollvorrichtung des Marionettenspielers vermutete, erkannte sie stattdessen die Schiffsdrohne. Yime beugte sich zur Seite– wobei sich wieder einige Fäden spannten beziehungsweise lockerten– und beobachtete, dass die Fäden von der Drohne aus weiter nach oben führten; auch sie wurde von jemand anderem kontrolliert. Sie fragte sich, ob dies ein tief in ihr verankertes Bild vom Wir-sind-ganz-und-gar-nicht-hierarchischen-Ego der Kultur war.
    Über der Drohne reichten die Fäden bis zur Decke (die natürlich in Wirklichkeit der Boden war). Dort oben befand sich eine weitere Drohne, dann noch eine und noch eine; sie wurden immer kleiner, was nicht nur an der wachsenden Entfernung lag. Yime begriff, dass sie durch die Decke sah. Weit oben folgte ein Schiff dem anderen, und sie wurden immer größer, bis sie zu einem dunstigen Durcheinander aus Decks,

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