Krieg der Seelen: Roman (German Edition)
sie auf beruhigende Weise etwas schwerer.
Sie merkte, wie sie tief und zufrieden durchatmete, gab dem Drang nach und drehte sich, die Augen noch immer geschlossen, auf die andere Seite. Etwas sagte ihr, dass sie nicht genau wusste, wo sie sich befand, aber das schien keine Rolle zu spielen. Normalerweise ergab sich daraus ein leicht beunruhigendes Gefühl, manchmal auch ein sehr beunruhigendes, aber diesmal nicht. Irgendwie wusste sie: Wo auch immer sie sich befand, sie war in Sicherheit; man kümmerte sich um sie, und es drohte keine Gefahr.
Sie fühlte sich gut, richtig gut.
Als sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass sie sich nicht daran erinnern konnte, wann sie sich jemals so gut und so sicher gefühlt hatte. Diese Erkenntnis schuf dünne Falten in ihrer Stirn. Ach, komm schon, sagte sie sich. Sie musste sich schon einmal so gefühlt haben. Ein Hauch von Ärger regte sich in ihr, als sie vergeblich nach einer Erinnerung daran suchte, wann sie zum letzten Mal eine derartige Sorglosigkeit empfunden hatte. Vermutlich in den Armen ihrer Mutter, als kleines Mädchen.
Sie wusste, dass sie sich daran erinnern würde, wenn sie ganz wach wurde, aber so sehr ein Teil von ihr völlig wach sein wollte, um eine Antwort auf diese Frage zu finden und alles zu klären: Einem anderen Teil gefiel es, einfach dazuliegen, wo auch immer, schläfrig, sicher und zufrieden.
Sie kannte dieses Gefühl. Dies war oft der beste Teil des Tages, bevor sie ganz aufwachen und sich den Realitäten der Welt stellen musste, und der ihr zukommenden Verantwortung. Wenn man Glück hatte, schlief man wie ein Kind, tief und fest, ohne Sorge. Dann erinnerte man sich erst beim Erwachen an all die Dinge, über die man sich Sorgen machen musste, an all den Ärger, den man in sich angesammelt hatte, an die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten, die man über sich ergehen lassen musste. Doch selbst der Gedanke an diese Dinge konnte ihre gute, sorglose Stimmung nicht trüben.
Sie seufzte. Es war ein langes, tiefes und zufriedenes Seufzen, allerdings mit einem Hauch Bedauern, als die Schläfrigkeit verflog wie Dunst in einer leichten Brise.
Sie lag unter einem Laken von erlesener Qualität, so weich, dass es fast flüssig zu sein schien. Es strich über ihren nackten Leib, als sie den Seufzer beendete und sich unter dem warmen Stoff bewegte. Sie war nicht einmal sicher, ob er Materialien von solcher Qualität…
Sie zuckte plötzlich zusammen. Ein schreckliches Bild begann vor ihrem inneren Auge zu entstehen, ein verhasstes Gesicht. Furcht entstand in ihr, aber sie löste sich sofort wieder auf, wie von einem anderen Teil ihres Selbst beiseitegeschoben.
Was auch immer sie einst gefürchtet hatte, jetzt musste sie keine Angst mehr davor haben. Das war eine feine Sache, fand sie.
Und sie fand, dass sie jetzt langsam erwachen sollte.
Sie öffnete die Augen und gewann vage Eindrücke von einem breiten Bett, einem hellen Laken, einem großen Zimmer mit hoher Decke und offenen Fenstern, wo hereinwehender Wind hauchzarte Gardinen bewegte. Es duftete nach Blumen. Sonnenschein fiel in goldenen Schächten auf die Fenster.
Sie bemerkte ein mattes Glühen am Fußende des Bettes. Es wurde deutlicher, als sie den Blick darauf richtete, und es entstand das Wort SIMULATION .
Simulation?, dachte sie, setzte sich auf und rieb sich die Augen. Als sie die Lider wieder hob, gewann das Zimmer klare Konturen. Es sah völlig normal aus, durch und durch real, aber eigentlich galt ihre Aufmerksamkeit gar nicht mehr dem Raum. Ihr Mund klappte auf, als sie das betrachtete, was ihr zuvor aufgefallen war, als sie die Hände wie beiläufig zu den Augen gehoben hatte.
Ganz langsam senkte sie den Kopf, hielt die Hände vors Gesicht und drehte sie, um sie von beiden Seiten zu sehen, starrte dann auf die Unterarme und das, was sie von Brust und Brüsten sehen konnte. Erschrocken wich sie zurück, kroch zum Kopfende des Bettes, trat das Laken fort und sah dadurch ihren ganzen nackten Leib.
Erneut hob sie die Hände, inspizierte Finger und Fingernägel, sah sie so an, als suchte sie nach etwas, das fast zu klein war, um es zu erkennen. Schließlich hob sie den Kopf wieder und ließ den Blick durchs Zimmer wandern. Sie verließ das Bett– das Wort SIMULATION blieb, wo es war, am Rand ihres Blickfelds– und lief zu einem großen Spiegel zwischen zwei der hohen Fenster mit den wogenden Gardinen.
Auch in ihrem Gesicht nichts. Ungläubig betrachtete sie ihr Spiegelbild.
Zuerst
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