Krieg der Wächter - Green, S: Krieg der Wächter - Daemons Are forever
Kiesweg wuchs es in dichten Büscheln. Es gab keine Blumen auf den Gräbern und die Grabsteine waren so verwittert, dass es schwerfiel, die Inschriften zu lesen. Ein kalter Wind blies, das Licht wurde dämmrig, weil es Abend wurde, und die Schatten kamen von überall auf uns zugekrochen.
»Ich mag diesen Ort«, sagte Molly.
»Das denke ich mir«, erwiderte ich.
»Nein wirklich, er ist friedlich. Moderne Friedhöfe sind für meinen Geschmack viel zu hektisch. Wenn ich mal gestorben bin, dann möchte ich keine Besucher und keine Blumen. Begrab mich nur tief, setz ein paar Minen, um Leichendiebe abzuschrecken, und lass mich friedlich bis zum Jüngsten Tag schlafen. Ich werde die Ruhe und die Stille brauchen, um mir ein paar gute Ausreden auszudenken.«
»Alle Droods werden verbrannt«, sagte ich. »Nur um sicherzugehen, dass keiner unserer Feinde mit unseren Überresten irgendwas anstellen kann.«
»Vielleicht könntest du deine Asche ins Weltall schicken wie Timothy Leary«, schlug Molly vor.
Ich musste lächeln. »Alles, um von meiner Familie wegzukommen.«
»Ich sehe Mr. Stich nirgendwo«, meinte Molly. »Und ich verstehe sowieso nicht, was er an so einem Ort wollen könnte.«
»Wir sind nicht weit von seinen ursprünglichen Tatorten entfernt. Damals, als er sich zuerst einen Namen gemacht hat, in 1888.«
»Vielleicht sind ein paar seiner Opfer hier begraben.«
»Irgendwie denke ich nicht, dass Mr. Stich da sehr sentimental ist«, sagte ich. »Und überhaupt, nach allem, was man auf diesen Grabsteinen so lesen kann, sind sie beinahe alle älter als Jack the Ripper.«
Wir gingen auf dem Friedhof auf und ab und her und hin und fanden kein Anzeichen dafür, dass Mr. Stich hier gewesen wäre. Zog man die Größe des Areals in Betracht, hätte es Stunden gedauert, alles abzusuchen und außerdem wurde ich ungeduldig. Und mir wurde kalt. Ich hatte meine Rüstung heruntergefahren, als wir das Café Nacht verlassen hatten, aber jetzt murmelte ich die Worte und rief gerade genug der Rüstung herbei, um mein Gesicht zu bedecken. Mit ein wenig Konzentration konnte ich Infrarot durch die Maske sehen und es dauerte nicht lange, bis ich die einzige andere menschliche Wärmequelle außer uns auf dem dunkler werdenden Friedhof gefunden hatte. Ich fuhr die Rüstung wieder herunter, um Mr. Stich nicht in die Defensive zu jagen, und ging zu der Stelle voran, an der er sich befand. Ich tat mein Bestes, um ruhig und nicht bedrohlich, aber auch nicht im Geringsten besorgt zu wirken. Er mag es nicht, wenn die Leute, mit denen er sich unterhalten will, sich die Scheiße aus dem Leib fürchten. Tatsächlich war Mr. Stich für einen unsterblichen Serienkiller bemerkenswert empfindlich.
Er war formal in die Kleider seiner Epoche gekleidet, alles rein schwarz oder weiß, mit einem Zylinder und sogar einem Opernmantel. Wenn er seine Opfer verfolgte, dann konnte er in der Menge verschwinden wie jeder andere, aber wenn er sozusagen außerdienstlich war, zog er die Kleider vor, in denen er sich am wohlsten fühlte. Er war ein großer und kraftvoller Mann, mit breiten Schultern und langen Armen. Er hatte ein breites, väterliches Gesicht, wie ein freundlicher alter Familienarzt - bis man ihm in die Augen sah. Und alle Schrecken der Hölle einen anstarrten.
Er wandte uns langsam sein Gesicht zu, während wir näher kamen. »Molly,«, sagte er, »wie nett. Und Edwin Drood - mal wieder. Es ist mir eine Ehre.«
»Was machst du ausgerechnet hier?«, fragte Molly so direkt wie immer.
»Ich bin ... nur zu Besuch«, erwiderte Mr. Stich. Er lächelte und zeigte große, quadratische Zähne, die von der Zeit ganz braun waren. Er deutete auf die Gräber um ihn herum. »Das hier war einmal ein bekannter Ort, die Leute sind buchstäblich dafür gestorben, hierher zu kommen. Es gab Sonderzüge, die die glücklichen Verstorbenen aus dem ganzen Land hierhergebracht haben. Das ist jetzt lange her und niemand erinnert sich mehr daran. Außer mir. Ich habe Freunde und Familie hier. Leute, die mich kannten, als ich noch nichts weiter als ein Mensch war. Die Letzten, die mich noch so kannten, wie ich war, bevor ich zu einem Namen wurde, mit dem man Leute erschreckt.«
Ich fand es schwierig, mir vorzustellen, dass Mr. Stich je normal gewesen war, mit einem normalen Leben. Er muss das gespürt haben, denn er machte eine kurze, abschließende Geste und sah mich bloß noch kalt an.
»Was willst du von mir, Edwin Drood?«
Ich erklärte die Situation, aber er
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