Krieg im Himmel
etwas zu überkompensieren.
In der siebten Nacht hatten wir ein paar Drinks und gezwungene Unterhaltungen. Abgesehen von den Checks unmittelbar vor dem Einsatz waren wir hundertprozentig vorbereitet. Niemand wollte mich Trompete spielen hören. Sie verliehen ihrer Meinung zu diesem Thema mit Gewaltandrohungen Nachdruck. Ich fand das unfair, schließlich war ich mir sicher, dass ich schon wesentlich besser spielte.
Mudge verwirrte mich, indem er uns allen kleine animatronische Actionfiguren von Major Rolleston, der Grauen Lady oder Vincent Cronin schenkte. Ich bekam Rolleston.
»Was zum Henker ist das?«, fragte ich. Es war grotesk.
»Voodoo?«, fragte der Heide lachend.
»Wir sollten uns daran erinnern, wie groß diese Leute sind«, erklärte Mudge. »So werden sie von den Kindern auf der Erde gesehen, überhaupt nicht furchteinflößend.«
»Das ist verrückt«, sagte ich.
Cat nickte.
Morag hielt ihre kleine Graue Lady hoch. »Ich weiß nicht recht. Ich glaube, ich spüre, dass ich von Voodoo erfüllt werde.«
Der Heide konnte es gar nicht abwarten, in seine Kabine zurückzukehren und sich in Trance zu Nuiko zu begeben, die als schweigsamer holografischer Geist bei uns war und ihre krabbenartigen Diener als ihre Arme benutzte. Ich wollte, dass sie mitmachte und sich entspannte, aber sie erwies sich stattdessen als perfekte Gastgeberin. Sie hatte genauso viel zu verlieren wie alle anderen, nur dass sie ganz allein in der Dunkelheit warten würde. Wenn ich ehrlich mit mir selber war, was ich bekanntlich nicht gern war, hätte ich zugeben müssen, dass Nuiko mich immer noch nervös machte. Es lag nicht nur daran, dass ich mit ihr nie etwas zustande gebracht hatte, das sich mit Fug und Recht als Gespräch bezeichnen ließ. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie mich an die Graue Lady. Vielleicht, weil sie so still war. Vielleicht, weil sie stets den Blick abwandte.
Ich fragte mich, wie der Heide es geschafft hatte, die höfliche Distanziertheit zu durchbrechen, die sie wie eine Rüstung trug. Aber der Zeitablauf in Senso-Räumen machte ungewöhnliche Dinge möglich. Vielleicht hatte er nicht seit Tagen, sondern schon seit Monaten um sie geworben. Ich wünschte ihm alles Gute, aber ich machte mir Sorgen wegen des Abschieds, wenn wir in den Tod gingen. Vielleicht hätte ich das alles etwas optimistischer sehen sollen?
Mudge hatte es genauso eilig, mit dem Rauschgenerator und Merle in seiner Kabine zu verschwinden. Für seine Verhältnisse blieb er sogar relativ nüchtern. Mudge hatte nur eine mäßige euphorisierende Droge genommen und lediglich anderthalb Flaschen Wodka geleert. Trotzdem schaffte er es, vom Laufsteg zwischen die Kisten zu fallen. Offenbar hatte es seinen Preis, wenn man versuchte, den Anschein zu wahren.
Damit waren nur noch Cat, Morag und ich übrig. Die Situation im Frachtraum war offensichtlich allen extrem peinlich. Cat nippte an einem Bier, während sie die letzten Reste des MedGels von ihrem verletzten Rücken zog. Gelegentlich blickte sie zu mir und Morag, lächelte und schüttelte den Kopf.
Morag sagte nicht viel und vermied weiterhin jeden Blickkontakt mit mir. Ich glaube, zwischendurch führte sie sogar ein subvokalisiertes Gespräch mit jemandem. Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, mit wem.
»Es hat wirklich Spaß gemacht, aber jetzt werde ich noch etwas Zeit totschlagen«, kündigte Cat an. Ich hatte keine Ahnung, warum sie nicht einfach sagte, dass sie schlafen ging, was das Sinnvollste gewesen wäre. »Seht zu, dass ihr es nicht übertreibt.«
»Du auch«, sagte ich schwachsinnigerweise.
Sie blickte sich noch einmal zu mir um, bevor sie in ihrer Kabine verschwand. Damit war nur noch Morag bei mir. Ich war nervös und fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Morags Gesichtsausdruck ließ keine Regung erkennen.
»Ich habe mich sehr viel mit Gott unterhalten«, sagte Morag, nachdem das Schweigen so lange angehalten hatte, dass ich bereits überlegte, mich ebenfalls in meine Kabine zu flüchten.
An Gott hatte ich gar nicht mehr gedacht. Nein, das stimmte nicht. Ich hatte ihn einfach ignoriert, so getan, als hätte ich keine Zeit, weil seine Probleme so groß waren, dass ich sie gar nicht verstehen würde. Gespräche mit Gott waren mir zu kompliziert und zu schwierig geworden. Wieder ein Freund, den ich im Stich gelassen hatte. Vor dem ich mich versteckte. War er überhaupt ein Freund? Ich hatte einen wenn auch sehr kleinen Anteil an seiner Erschaffung gehabt, an seiner
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