Krieg im Himmel
gebrochen hatte, sondern etwas, das er als persönliches Versagen betrachtete. Er glaubte, uns im Stich gelassen zu haben. Er glaubte, uns verraten zu haben.
»Jeder bricht irgendwann«, erklärte ich ihm. Obwohl die meisten länger durchhielten als ich. Es war meine Schmach, aus sehr vielen Gründen. »Sie haben die vereinbarten Treffpunkte überwacht, mehr nicht. Hat man versucht, dich einer Gehirnwäsche zu unterziehen?«
Rannu schüttelte den Kopf. »Rolleston war dabei. Er war verdammt wütend. Er wollte mich foltern. Wollte auf die althergebrachte Weise meinen Willen brechen, mit einer Mischung aus Psychologie und Schmerz. Er sagte, wenn er mich gebrochen hätte, würde ihm meine Seele gehören.«
Das ergab Sinn. Es war ungefähr das, was er mit mir vorgehabt hatte, gekrönt von der Extraprämie, Morag vor meinen Augen zu töten. Nicht an Morag denken.
»Was ist geschehen?«
»Ich konnte fliehen.«
»Wann?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht vor zwei oder drei Wochen.«
Nach allem, was er durchgemacht hatte, war er trotzdem noch in der Lage gewesen, die Flucht zu ergreifen. In diesem Moment empfand ich große Ehrfurcht vor ihm. Aber mir war klar, dass ich es ihm nicht erklären konnte, damit er sich besser fühlte, weil er seine persönliche Latte viel zu hoch gelegt hatte.
»Und dann hast du dich die ganze Zeit hier versteckt?«
»Nicht nur hier, sondern überall. In den ersten Tagen haben sie gründlich nach mir gesucht, und ein paarmal war es verdammt knapp, aber schließlich scheinen sie sich gedacht zu haben, dass ich geflohen oder gestorben war. Ich habe mich mucksmäuschenstill verhalten.«
»Warum hast du dich nicht abgesetzt?«
»So einfach ist das nicht. Die Stadt ist ziemlich effektiv abgeriegelt, aber ich glaube, ich habe einen Weg nach draußen gefunden. Ich bin geblieben, als man dich und Morag geschnappt hat, um zu sehen, ob ich irgendetwas tun kann.« Er drehte sich um und sah mich an. Er machte den Eindruck, als würde er im nächsten Moment in Tränen ausbrechen. »Es tut mir so leid. Ich konnte nicht … ich war zu … Rolleston, die Graue Lady … ich hatte zu große Angst.«
»Rannu, du weißt, dass du nichts tun konntest, oder? Man hätte dich doch sofort getötet.«
Er wandte den Blick ab und schüttelte niedergeschlagen den Kopf. Ich konnte ihm nicht helfen.
»Bevor wir deinen Fluchtweg nutzen, möchte ich zuerst Rolleston töten«, sagte ich. »Und es ist mir egal, ob ich dabei draufgehe oder nicht.«
Er sah mich mit ängstlichem Ausdruck an, was für mich ein fremdartiger Anblick war.
»Er ist nicht hier. Ich war sehr leise. Ich lag auf einem Lüftungsgitter, während ich sie belauscht habe. Ich war absolut leise.«
»In der Zitadelle?«
»Er ist losgezogen, um die Widerstandskämpfer zu jagen – er, die Graue Lady und Kring. Sie sagten, sie wollten sie jetzt endgültig erledigen. Sie werden sie auslöschen, und dann wird Cronin den Sieg für ihre Propaganda ausnutzen.«
»Wie sieht dein Fluchtweg aus?«
»Woher hast du die Fallschirme?«, fragte ich.
Wir hockten in einem engen Luftschacht neben einem stark gesicherten Lüftungsgitter, das in die Außenwelt führte. Der Komplex, in dem man uns gefangen gehalten hatte, befand sich in der Nähe der Spitze des Stalaktiten, der Moa-Stadt darstellte.
»Offenbar beherrscht jeder, der hier lebt, das Base-Jumping, genauso wie hier jeder klettern kann. Vor dem Krieg war Objektspringen ein sehr beliebter Sport und gehörte seitdem zum Überlebenstraining. Vor Kurzem haben die Leute angefangen, es wieder in der Freizeit zu machen. Ich habe die Schirme aus Schließfächern gestohlen.« Das Reden lenkte seine Gedanken von anderen Dingen ab. Auch meine. Ich zwängte mich in der Enge in ein unhandliches Fallschirmgeschirr.
»Was hindert ihre Verteidigungseinrichtungen daran, uns im Flug zu braten?«, fragte ich.
Er hielt mit dem Anlegen seines Fallschirms inne und sah mich an. Dann schien er einen Entschluss zu fassen und zog einen zusammengeflickten Funksender aus einer Tasche seiner Kampfhose.
Ich erstarrte ebenfalls. »Das wird nicht funktionieren«, sagte ich zu ihm. »Demiurg wird das System übernehmen.«
Rannu schüttelte den Kopf. »Er wird es versuchen, aber dann verschwindet das Signal.«
Darüber dachte ich kurz nach. Er könnte recht haben. Unter normalen Umständen würde ich darauf nicht mein Leben wetten, aber im Moment war es mir scheißegal.
»Die Sprengsätze?«, fragte ich.
»Das ist der leichteste Teil.
Weitere Kostenlose Bücher