Krieg im Himmel
Äquatorialstaaten.
»Jeder in Russland hat es schon mal gemacht«, sagte Wladimir. Er schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden und seinen Standpunkt zu unterstreichen. Dadurch sah er wie ein großer und grotesker mechanischer Hund aus.
»Was hast du gegessen?«, fragte Brownie, unser normalerweise sehr schweigsamer Sanitäter.
»Einen Finger.«
Brownie schien darüber nachzudenken. Wladimir beobachtete unseren Liverpooler Sanitäter sehr aufmerksam. »Du bist ein verdammtes Weichei«, sagte Brownie schließlich.
Die Vucari warfen sich abwechselnd gegenseitig und ihrem Kommandanten Blicke zu. Ich glaube, Kost hielt den Atem an. Ausgerechnet jetzt machte Brownie den Mund auf? Wir alle waren angespannt. Wladimirs Miene war zornig, als er auf Brownies ausdrucksloses Gesicht zeigte und schließlich loslachte.
»Du fürchtest dich wohl vor gar nichts, mein komischer kleiner Freund!«
Brownie grinste und und lachte ebenfalls.
»Netter trockener Humor, du Wichser«, sagte Shaz zu dem Liverpooler.
»Das ist der Grund, warum SIE keine würdigen Feinde sind«, sagte einer der Russen mit asiatischen Zügen. Die anderen hatten ihn Bataar genannt, und ich war mir ziemlich sicher, dass er ihr Signaltechniker war, ihr Hacker.
»Mir sind sie würdig genug«, sagte Gregor mit schmerzhaft verzogenem Gesicht.
»Weil du sie nicht essen kannst?«, fragte Bibs. Wladimir nickte. Ich fand, dass Bibs ein ungesundes Interesse an dieser Sache entwickelte.
»Nein. Vielleicht für Wlad und ein paar andere, aber ohne Blut können wir unsere Götter nicht beschwichtigen oder ihre Toten ehren«, fuhr Bataar fort.
»Diese schwarze Scheiße genügt euch nicht?«, fragte Ash.
»Die schwarze Scheiße, wie du es nennst, genügt auf keinen Fall. Mutter Wolf wurde mit Blut aufgezogen. Sie beschenkt uns reichlich, sie lässt uns jagen, wie es uns gefällt. Es ist unser gutes Recht, ihr dafür etwas zu opfern.«
Als ich Bataar zuhörte, kam mir in den Sinn, wie glücklich wir uns schätzen konnten, Shaz als SigTech zu haben. Ich sah, dass viele der Speznas zu Bataars Worten nickten. Wladimir mochte ihr Anführer sein, aber Bataar war offensichtlich der Hohepriester. Shaz war gläubig, aber er war nicht verrückt. Ich hatte viele Geschichten von anderen Spezialeinheiten gehört, die extreme und oft sehr blutige religiöse Ansichten vertraten. Und bei manchen Trupps, wie es auch hier der Fall zu sein schien, entwickelte sich daraus ein richtiger Religionskult.
Andererseits feierten diese Leute den Krieg. Das war eine Einstellung, die ich nicht unterstützen konnte, aber gleichzeitig war sie der Grund, warum wir noch lebten. Ich versuchte mir vorzustellen, was geschehen wäre, wenn man unsere Rollen vertauscht hätte. Wären wir ihnen zu Hilfe gekommen? Die Antworten, die mir in den Sinn kamen, gefielen mir nicht. Wir hätten es auf keinen Fall gemacht, wenn uns die Munition ausgegangen wäre.
»Es ist die Furcht.« Der etwas nüchternere Kost kehrte zur Eingangsfrage zurück. »Für die Organisazia arbeiten viele gefährliche Leute. Man muss etwas haben, das die anderen auf Linie hält. Je länger das so weitergeht, desto ungeheuerlicher muss es sein.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich jemandem wie Wladimir gegenüber so ehrlich gewesen wäre.
Der Lieutenant der Speznas schien gründlich über Kosts Erklärung nachzudenken. »Nein«, sagte er schließlich.
Kost zog eine Augenbraue hoch. »Nein?«
»Nein. Beziehungsweise ist das nicht alles. Furcht ist wichtig.« Er breitete die Arme aus. »Wir sind Raubtiere! Wir jagen und töten! Ich will einen Mann zur Strecke bringen, einen Mann, der mir oder meinen Leuten Unrecht angetan hat!« Er rief so laut, dass er Blicke aus der ganzen Messe auf sich zog – und vereinzelte Aufforderungen, die Klappe zu halten. Alle Wild Boys sahen sich leicht nervös um und machten beschwichtigende Gesten in Richtung der Leute, die wir kannten. »Ich werde ihn zur Strecke bringen! Ich werde dafür sorgen, dass er mich fürchtet! Dass sein Herz schneller schlägt, dass sein Blut, wenn ich meine Zähne in seinen Hals schlage, in meinen Mund schießt, herausgetrieben von den letzten Zuckungen seines Herzens! Ich werde seine Furcht schmecken und wissen, was ich mit ihm gemacht habe! Wie ich ihn verändert habe!« Am Ende seiner Ansprache stand er auf dem Tisch, während viele andere Gäste in der Messe ihm zuriefen, dass er endlich die Schnauze halten sollte.
Wladimir biss sich auf die Zunge und spuckte Blut
Weitere Kostenlose Bücher