Krieg im Himmel
hier. Die verschiedenen Regierungen hatten ständig versprochen, etwas wegen des Kraters und der Flüchtlinge zu unternehmen, aber dann hatte man immer eine andere Sache gefunden, für die das Geld ausgegeben werden sollte. Ash war in einem solchen Lager aufgewachsen.
In Coventry gab es nicht einmal eine Ginza. Das Stadtzentrum war ein Chaos aus zerbröckelnden Betongebäuden, die von den schwerer bewaffneten und gewaltbereiteren Flüchtlingen übernommen worden waren. Wir bezeichneten sie immer noch als Flüchtlinge, obwohl mehrere Generationen von ihnen hier aufgewachsen waren.
Ich suchte mir einen Parkplatz, versteckte das Motorrad, so gut es ging, und zog meinen Mantel wieder an. Ich hatte das SmartHolster für meine Benelli-Kampfpumpgun auf den Rücken geschnallt und hielt den Bogen mit einem eingelegten Pfeil in der Hand, während ich mich durch das Industriegebiet schlich. Der Bogen war die leiseste Waffe, die ich besaß. Ich war nur auf Erkundung, redete ich mir ein. Nur um zu sehen, wie viel Scheiße mich erwartete, wenn ich tatsächlich versuchte, in das Lagerhaus einzudringen. Soweit ich wusste, hatte der MI 5 bereits den Tötungsbefehl für den Vikar erteilt.
Sämtliche Lagerhäuser waren schon vor langer Zeit geplündert und dann als Wohnungen benutzt worden. Der Rest der Stadt bestand aus Zelten oder Hütten, die aus allem möglichen Material zusammengebaut waren. Ich sah Leute, die Ratten grillten. Ich sah Tanks, in denen der Proteinschleim gezüchtet wurde, von dem die Armen lebten. Ich hatte viel davon gegessen, oft, wenn die Zeiten am schlechtesten waren. Ich sah in Lumpen gekleidete Kinder. Ihre Augen, in denen sich die Müllfeuer spiegelten, waren längst tot. Hier waren die Lebensbedingungen sogar noch übler als auf den Rigs. Ich versuchte mich unauffällig zu verhalten, während ich mich durch das Lager bewegte, aber sie wussten genau, wo ich war. Coventry war bestens geeignet, um Dinge zu verstecken – nur nicht vor den Leuten, die hier lebten.
Ich trat an den Rand des Kraters. Selbst im schwachen Schein des Mondes und im Streulicht der flackernden Feuer des Lagers waren die enormen Ausmaße des Lochs überwältigend. Ich bemühte mich, meine professionelle Objektivität zu wahren und mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren, aber meine Aufmerksamkeit schweifte immer wieder zum Krater ab, der so tief war, dass ich den Grund nicht sehen konnte. Es war ein Loch, in dem die Geister von über einer Million Menschen wohnten.
Die Umgebung des Lagerhauses, das vom MI 5 benutzt wurde, war größtenteils unbewohnt. Ich vermutete, dass alle Flüchtlinge, die hier gelebt hatten, weggeschafft worden waren. Hier gab es mehrere Überwachungskameras, aber ich konnte ihnen aus dem Weg gehen. Wahrscheinlich wurden keine Bewegungssensoren oder andere Frühwarnsysteme benutzt, weil sich hier viel zu viele Ratten tummelten.
Ich ging näher heran. Immer noch nichts und niemand. Müll wehte durch die Straßen und Gassen. Endlich hatte ich von einer Gasse aus einen Blick auf das Lagerhaus. Es war alt, zusammengeflickt und fiel fast schon dadurch auf, dass man es so unauffällig gestaltet hatte. Es verriet sich bereits durch die Geisterstadt, von der es umgeben war.
Ich merkte mir die Standorte der Überwachungskameras. Offenbar war es so gut wie unmöglich, das Lagerhaus zu erreichen, ohne gesehen zu werden. Ich erkannte keine ferngesteuerten Waffen oder menschlichen Wächter. Das deutete auf eine Falle hin. Anscheinend wussten sie, dass ich im Anmarsch war. Sowohl die Polizei als auch der MI 5.
Ich versuchte zu berechnen, wie viele Personen da drinnen auf mich warteten. Es war ein kleines Lagerhaus, aber meine grobe Schätzung gefiel mir trotzdem nicht. Außerdem musste ich mich fragen, ob ich damit leben konnte, Leute zu töten, wenn ich hineinging. Immerhin handelte es sich um eine Foltereinrichtung. Ich steckte den Bogen weg. Hier gab es niemanden, mit dem ich mich lautlos auseinandersetzen musste. Konnte ich es riskieren, mit Gott zu sprechen? Er wusste vielleicht, welche Strategie die Polizei geplant hatte, aber möglicherweise wusste er nichts über die des MI 5. Ich sah keinen Vorteil darin, zurückzugehen und abzuwarten, nur den Nachteil, dass ich der Gegenseite damit mehr Zeit gab, mich ausfindig zu machen. Die Frage war, ob ich den Vikar im Stich lassen wollte oder nicht. Ich wusste nicht einmal mit Sicherheit, ob er noch am Leben war.
Andererseits hatte ich keinen Plan, wie es danach weitergehen
Weitere Kostenlose Bücher